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Milchpolitischer Frühschoppen 2020

Datum: 21.01.2020Quelle: molkerei-industrie

 

 

Der Milchpolitischen Frühschoppen, den der Milchindustrie-Verband MIV traditionell im Umfeld der Grünen Woche veranstaltet, stand am 21. Januar in Berlin ganz unter dem Zeichen einer EU-weit möglichen verbindlichen Herkunftsbezeichnung. Unter dem Tagungsmotto „Deutsche Milch mit deutscher Flagge? – Fluch oder Segen der Herkunftsbezeichnung“ wurde eifrig über Für und Wider einer solchen Regelung diskutiert.

 

 

Das Podium auf dem Milchpolitischen Frühschoppen besetzten in diesem Jahr v. l.: Moderator Anselm Richards (Landw. Wochenblatt Westfalen-Lippe), Dr. Sascha Berger (Thünen-Institut), Alexander Anton (EDA), Herbert Dorfmann (EP) und Burkhard Endemann (B&L MedienGesellschaft)

 

Der Sündenfall der Kommission

An sich ist jede verbindliche Herkunftsbezeichnung ein Verstoß gegen EU-Recht (Ausnahme: ggU, PDO …), stellte RA Dr. Jörg Rieke vom MIV fest. Die Juncker-Kommission hat 2015 einen regelrechten Sündenfall begangen, indem sie Frankreich (unmittelbar vor den dortigen Parlamentswahlen) die Erlaubnis zur Einführung einer Kennzeichnungspflicht für den in Mopro enthaltenen Rohstoff erteilte. In der Folge zogen weitere Länder nach. Die Konsequenzen sind heute klar: seit 2015 sind die deutschen Rohmilchexporte nach Italien um 50% gesunken, auch die Milchlieferungen nach Frankreich mussten leiden. Stattdessen kam zunehmend mehr Rohstoff aus Polen und Tschechien nach Deutschland. Alexander Anton, Direktor des EU-Milchindustrieverbandes EDA (European Dairy Association) sprach in seinem Podiumsbeitrag gar von Gastronationalismus und Gastrochauvinismus. Sein Verband spricht sich klar gegen jede verbindliche Herkunftsbezeichnung aus und vertritt diese Position vor der EU auch durchaus aggressiv.

EDA-Geschäftsführer Alexander Anton geißelte die verbindliche Herkunfts-bezeichnung als Gastrochauvinismus

 

Manipulative Umfragen

Umfrageergebnisse, wonach eine Mehrheit der Verbraucher – manchmal kommen bis zu 85% Zustimmung zustande – sich eine verbindliche Herkunftsangabe wünsche, basieren oft auf einer manipulativ aufgebauten Fragestellung mit handwerklichen Fehlern. Für Dr. Sascha Weber vom Thünen Institut für Marktanalyse ist klar, dass die wirklichen Kaufentscheidungsmotive in Qualität, Geschmack und Haltbarkeit sowie Preisstellung stecken. Die Herkunft ist dem Konsumenten erst weit nachgelagert wichtig. Zudem ist zu unterstellen, dass alle Mopro, die in der EU verkehrsfähig sind, per se eine hohe Qualität mitbringen. Weber stellte fest, dass die Verbraucher in der Summe keinen Wert auf Kenntnis der Herkunft eines Produktes legen, außerdem könne sich jeder, der dies wissen will, schon heute alle Informationen im Internet beschaffen.

 

Kein höherer Milchpreis

Wie sowohl Anton als auch DMK-Chef Ingo Müller ausführten, wird sich eine verbindliche Herkunftsbezeichnung nicht im Milchpreis widerspiegeln. Denn gerade in Deutschland, das komplexe und tgl. wechselnde Rohstoffströme aufweist und in dem Produkte aus aller EU-Herren Länder im Markt sind, müsste ein unverhältnismäßig hoher Aufwand betrieben werden, um auf jedem Mopro die genaue Rohstoffzusammensetzung aufbringen zu können. Je kleiner der Markt, so der Hinweis Antons, desto teurer wird die Herkunftskennzeichnung.

Die Politik ist dennoch versucht, auch in die Produktkennzeichnung hinein zu regulieren. Eine verbindliche Herkunftskennzeichnung besteht bereits seit Längerem bei Gemüse, Fleisch oder Honig, stellte Dr. Bettina Hartwig, BMEL, fest. Wenn deutsche Produkte unter höheren Standards erzeugt werden als im EU-Ausland, würden die Landwirte wohl auch auf eine verbindliche Herkunftsbezeichnung drängen. Von daher müsse über den weiteren nationalen Weg nachgedacht werden. Hierzu entgegnete Anton direkt, dass es ausschließlich milchsektorspezifische Regelungen geben kann, denn Milch ist hinsichtlich der Verarbeitungsstufen und ihrer Qualität einzigartig im Agrarbereich.

Ein interessanter Einwurf kam von Bauernverbandsseite. Milchreferent Ludwig Börger erwähnte, dass QM Milch als neuer deutscher Standard durchaus auch als Mittel zur Abschottung dienen könnte.

 

Verbraucher und Handel

Eine etwas andere Position, nämlich die der Verbrauchersicht, vertrat Burkhard Endemann von der B&L MedienGesellschaft (Fachtitel: Milch-Marketing, Käse-Theke, molkerei-industrie). Es sei durchaus so, dass die Verbraucher heute kritischer sind und nach Transparenz verlangen. Würde Brüssel eine verbindliche Herkunftsbezeichnung verhängen, werde sich die Branche nicht wehren können. Bei einer freiwilligen Kennzeichnung besteht die Gefahr, so Endemann, dass sich die Verbraucher fragen, warum bestimmte Produkte die Deklaration tragen, andere aber nicht.

Was in allen Diskussionen über eine verbindliche Herkunftsbezeichnung meist zu kurz kommt, ist der Handel. Dieser hat ein gutes Gespür dafür, wie er seine Kunden ansprechen muss. Bisher zeigt der LEH aber in Bezug auf die Herkunftsbezeichnung keinen allzu großen Elan. Dies kann getrost als Beleg dafür gesehen werden, dass die Verbraucher sich eher wenig um die Herkunft der Erzeugnisse kümmern.

Roland Sossna / moproweb

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