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Paradoxe Marktentwicklung

Datum: 05.08.2022Quelle: VMB

Vergangene Woche fand in Nürnberg, diesmal coronabedingt erst mitten im Sommer, die BIOFACH 2022 statt. Zeit und Gelegenheit für Politik, Verbände, Presse und auch für die Wirtschaftsbeteiligten, sich zu den Perspektiven des ökologischen Landbaus zu äußern. Dies um so mehr, zumal die Politik eine äußerst ambitionierte Vorgabe gesetzt hat: Den Bio-Anteil bis 2030 auf 30 Prozent auszubauen. Knapp 20 Prozent Luft nach oben lassen die Umsetzung eher unwahrscheinlich erscheinen, wenn auch die Ökonomie für die Erzeugerseite zu ihrem nachhaltigen Recht kommen soll. Nicht alle Aussagen im Umfeld der BIOFACH sind als wirklich realistisch einzustufen, gleichen häufig der solche Events begleitende Verbands- und Politik-Mantra. Und die im Umfeld der Messe als Maßstab herangezogenen Absatzzahlen der ersten 5 Monate 2022 taugen nicht wirklich für eine belastbare Analyse der Entwicklung im Biosektor. Die Verbraucherschaft ist wirklich erst seit Mitte des Jahres nachhaltig verunsichert, weil neben den steigenden Lebensmittelpreisen auch die explodierenden Energiepreise umtreiben. Abgerechnet wird als Folge dessen beim Griff ins Kühlregal und über die Abrechnung an der Kasse – durch die Verbraucherschaft.

Die teilweise gravierenden Änderungen am Markt und beim Verbraucherverhalten sind in jüngster Vergangenheit Gegenstand zahlreicher Erhebungen und Analysen. Manches trifft zu, so manches aber ist nicht neu, fällt aber den Beobachtern jetzt erst auf, nachdem erste, nicht selten mäßig recherchierte Berichte lanciert werden. Und so manches ist tatsächlich nicht nur neu, sondern vor allem auch in der Sache weder nachvollziehbar noch marktlogisch, zumindest auf der Grundlage bisher gekannter Zusammenhänge.

Dass sich die konventionellen Milchpreise Monat für Monat mehr an die Biomilchpreise annähern, der Abstand in Bayern zuletzt bereits weniger als 5 Cent betragen hat, ist eine logische Konsequenz der Marktmechanismen: Der Impuls der stark ansteigenden Milchpreise kam von den internationalen Märkten. Dagegen konnten die Preise über den Lebensmittelhandel erst zeitversetzt nachziehen. Und Biomilcherzeugnisse werden eben hauptsächlich “regional” und national über den Handel, also nicht über den Export abgesetzt. Dass im Lebensmitteleinzelhandel Bioprodukte teils billiger als konventionelle Lebensmittel angeboten werden, wie des kürzlich die Zeitschrift “Wirtschaftswoche” glauben machen wollte, ist absolut nicht neu, vor allem wenn man Bio-Eigenmarken den Bio-Herstellermarken gegenüberstellt. Ein typischer Vergleich von Äpfel mit Birnen.

So hatte die Wirtschaftswoche recherchiert, dass Aldi Anfang Juli seine Eigenmarke für Biobutter für nur 2,99 Euro/260 g im Angebot habe, wohingegen die mittlerweile ebenfalls bei Aldi gelistete Herstellermarke “Kerrygold” 3,49 Euro/250g kosten würde. Dieser Preisunterschied ist keine Neuigkeit! Zumindest in den vergangenen knapp drei (!) Jahren, mit dem deutlichen Anziehen der Preise für die Eigenmarke Deutsche Markenbutter (konventionell) war dies bereits zu beobachten: Der Handel, der bekannter Weise die Festlegung der Endverbraucherpreise (EVP) in Eigenverantwortung vornimmt, hat zwischen seiner “Eigenmarke”, der früheren “Billigbutter” und den Herstellermarken, beim EVP eine Differenz von rund 1 Euro festgelegt. Während somit bereits seit längerem die bekannten Herstellermarken aus Irland, den Niederlanden oder auch aus Bayern im Preisbereich von 2,50 Euro/250 g im Kühregal lagen, kostete die Eigenmarke Biobutter fast drei Jahre lang konstant 2,29 Euro/250 g. Erst im April 2022 begann auch bei der Biobutter der Eigenmarke die Preis-Rallye, stieg der EVP auf 2,69 Euro/250 g. Das war aber noch nicht das Ende: Mitte Mai folgte die nächste Erhöhung auf 2,99 Euro/250 g und während der BIOFACH auf den jetzigen Endverbraucherpreis von 3,29 Euro/250 g.

Das wirklich überraschende ist aber nicht, dass im Handel – trotz der in der kurzen Zeitspanne recht satten Preisanpassung auch bei Bio-Butter der Eigenmarken durch Aldi, Lidl  und Co. –  die Bio-Eigenmarken zum Teil immer noch weniger kosten als konventionell erzeugte Herstellermarken, von Kerrygold über Landliebe bis zur Weihenstephaner Butter. Das überraschende ist, Stand Monatsbeginn August, dass die Bio-Eigenmarken teurer sind als bekannte Bio-Herstellermarken wie die Andechser Bio-Almbutter oder die Berchtesgadener Bio-Alpenbutter, die zu diesem Zeitpunkt für um die 3 Euro/250 g angeboten wurden. Das ist in der Tat ein Paradoxon: Die ehemals Billigbutter “bio” teurer als Bio-Markenbutter! Hier geht es also in der Analyse des Kaufverhaltens nicht um “bio” oder “nicht bio”,sondern sogar um  eine mögliche Verschiebung der Butternachfrage zugunsten der Bio-Herstellermarken – falls der Verbraucher logisch-ökonomisch und nicht nach Gewohnheit einkauft!

 

Abb.: Colourbox

Dr. Hans-Jürgen Seufferlein / VMB

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