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Schonungsloser Blick

Datum: 06.11.2022Quelle: UnHerd

Der britische Autor John Lewis-Stempel ist Landwirt und Historiker. In einem längeren Artikel auf UnHerd räumt er mit Mythen rund um die Rebellion-Proteste und Milchalternativen auf. Hier eine Zusammenfassung.

Wie die jüngsten Proteste von Animal Rebellion (einem Ableger von Extinction Rebellion) gezeigt haben, ist das weiße Zeug, das Rinder absondern, ein Sekret des Teufels. Im Rahmen ihrer “Milk Pour”-Kampagne haben die Klimawandel-Aktivisten literweise Milchprodukte über die heiligen Böden der Mittelklasse-Tempel gekippt, während sie auf Plakaten eine “pflanzliche Zukunft” forderten.

Aber ist “Milk Pour” nicht ein wenig schwer zu schlucken? Stinkt es nicht eigentlich nach Erste-Welt-Denken? Ein Zyniker könnte sogar vermuten, dass die Protestler die Dummköpfe der milliardenschweren Milchalternativen-Industrie sind. Trotz ihrer “Wir-retten-die-Welt”-Slogans sind Milchalternativen an so viel Umweltzerstörung beteiligt, dass einem grün vor Augen wird, aber nur, weil man sich vor der Heuchelei ekelt.

Der Hauptgrund für die planetenweite Ausdehnung der Viehzucht ist, dass weite Teile der Erde aus Gras und Gestrüpp bestehen, die Menschen nicht essen können, die aber von Daisy und ihresgleichen in nahrhaftes Fleisch und Milchprodukte verwandelt werden. Milchprodukte – also Kuh-, Schaf-, Ziegen-, Büffel-, Esel- und Pferdemilch – sind bei weitem kein gehobenes Nahrungsmittel, wie “Milk Pour” glauben machen will, sondern notwendige Lebensgrundlage für Abermillionen. Die Anpreisung der “pflanzlichen” Ernährung als weltweites Heilmittel ist sinnlos. Es ist nichts anderes als westlicher Kulturimperialismus, missionarischer Veganismus.

Während die Medien die “Milk Pour”-Stunts bereitwillig aufgreifen, müssen sich die Chefs der Hersteller von Milchalternativen „wie fette Katzen fühlen, die die ganze synthetische Sahne bekommen“. Die Proteste sind ein bequemes Ablenkungsmanöver vom krassen Umweltprofil ihrer eigenen Produkte. Nehmen Sie Mandelmilch. In der industrialisierten Mandelzucht werden fünf Liter Wasser benötigt, um eine einzige Nuss zu produzieren, also 20mal so viel wie für Milch.

Was ist mit der super-trendigen Kokosmilch? Nun, Kokosnussbäume wachsen nur in tropischen Klimazonen. Die westliche Nachfrage führt zur Ausbeutung von Arbeitern in ärmeren Ländern.

Große Teile des Amazonasgebiets wurden abgeholzt, um Platz für Sojafarmen zu schaffen, und das Soja geht in die Alternativ-Milch ebenso ein wie in Viehfutter.

Aber vielleicht ist die Hafersaft, der vor allem von der schwedischen Firma Oatly angeboten wird, die große weiße Hoffnung der veganen Milchersatzprodukte? Hafer wird in kühleren Klimazonen wie den nördlichen USA, Kanada und Schottland angebaut – und ist daher nicht mit der Abholzung von Wäldern in Entwicklungsländern verbunden. Leider hat diese vermeintlich schuldfreie Option den Nachteil, dass die meisten Haferarten aus hochindustrialisierten Betrieben stammen, in denen sie mit nichts anderem als Roundup gespritzt werden. Eine Studie der Environmental Working Group, einer amerikanischen Gesundheitsorganisation, fand Glyphosat in 43 von 45 getesteten Lebensmitteln, die konventionell angebauten Hafer enthielten. Das Pesticide Action Network berichtete 2019, dass 94 % des getesteten Hafers Rückstände von mehr als einem Pestizid enthielt. Oatly besteht darauf, dass ihre Altmilchprodukte frei von Glyphosat sind.

In früheren Oatly-Werbespots wurde auch behauptet, dass Sie persönlich satte 73 % Ihrer gesamten Treibhausgasemissionen einsparen können, wenn Sie Hafersaft anstelle von Milchprodukten trinken. Nein, das können Sie nicht. Die Behauptung beruht auf der Schätzung von Oatly, dass die Milch von Oatly 0,44 kg CO2 pro Liter erzeugt, verglichen mit 1,58 kg bei Kuhmilch. Diese Zahl ignoriert die Tatsache, dass Milchkühe auch in Form von Fleisch in die menschliche Nahrungskette gelangen (was den Bedarf an anderen CO2 in Lebensmitteln reduziert), und die die Kohlenstoffbindung durch Viehweiden nicht berücksichtigt.

Dann gibt es ein großes Problem bei den Standardberechnungen, wie viel Treibhausgas Lebensmittel ausstoßen: Die Summen basieren auf Gas pro Kilo Lebensmittel oder auf Lebensmittelkalorien. Berechnungen, die auf der Qualität und nicht auf der Quantität von Lebensmitteln basieren, führen zu ganz anderen Ergebnissen. Wie Jayne Buxton in ihrem umfassenden Überblick über die vegane Ernährung, The Great Plant-Based Con (2022), feststellt, ist der Fußabdruck von Kuhmilch weniger als ein Drittel des Fußabdrucks von Hafermilch, wenn man den CO2-Gehalt pro Mikronährstoff zugrunde legt.

Alternative Milch ist kein Milchersatz. Oatly behauptet in seiner Werbung, sein Produkt sei “wie Milch, aber für Menschen gemacht”. Das heißt, in einer Maschine hergestellt. Der Nährstoffgehalt ist gering. Ein Glas Original-Hafermilch enthält in der Regel Kalzium, Vitamin D, Vitamin A, Riboflavin und Eisen – alles, bis auf das letzte, künstlich zugesetzt. Im Fall von Oatly enthält die “Milch” auch noch Rapsöl, Phosphate (die mit Nierenerkrankungen in Verbindung gebracht werden) und Zucker. Nachdem Oatly ausgerechnet von Campbell Soup darauf aufmerksam gemacht wurde, hat das Unternehmen beschlossen, seine Hafermilch nicht mehr als “ohne Zuckerzusatz” zu vermarkten.

Obwohl Oatly sich selbst als volkstümliches, linksslastiges, den Klimawandel bekämpfendes Start-up-Unternehmen anpreist, ist es ein 2-Milliarden-Dollar-Unternehmen, das größte Haferdrinksunternehmen der Welt. Zu den Top-Investoren gehören der bekannte Menschenfreund Goldman Sachs und die Beteiligungsgesellschaft Blackstone.

Eine der jüngsten kommerziellen Initiativen von Oatly war die Partnerschaft mit dem deutschen Tankstellennetz Aral, um die Oatly Barista Edition in rund 1.250 Aral-Tankstellen einzuführen. Mit anderen Worten: Oatly, dessen “Aktionspfeiler Nr. 1” es ist, “einen Wandel hin zu nachhaltigeren, emissionsärmeren Praktiken voranzutreiben”, hat einen Deal mit Verkäufern von… Benzin geschlossen.

Das laute Geräusch von der Wiese am Ende des Weges? Daisy, die Kuh, die seit 6.000 Jahren Milch für die Menschen produziert, lacht sich über die Dummheit und Leichtgläubigkeit der Menschen kaputt. Ich habe ihr gerade einen Witz erzählt. Es ist einer über die Alternativ-Milch.

Roland Sossna / moproweb

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