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Sichere Lebensmittelkontaktmaterialien

Datum: 2019-07-02 09:00:00Quelle: Akademie Fresenius

In diesem Jahr stehen die EU-Vorschriften für Lebensmittelkontaktmaterialien auf dem Prüfstand: Im Rahmen eines Revisionsverfahrens führt die EU Kommission eine Reihe von Konsultationsverfahren durch und hat wissenschaftliche Fokusgruppen eingerichtet. Den aktuellen Stand des Verfahrens und die erwarteten Veränderungen diskutierte eine internationale Konferenz der Akademie Fresenius am 13. und 14. Juni in Düsseldorf. Dazu hatten die Veranstalter zahlreiche Experten aus Wissenschaft, Lebensmittelindustrie sowie von der EU-Kommission, der Europäischen Lebensmittelbehörde EFSA und den Lebensmittelüberwachungs- und Lebensmittelbewertungsbehörden gewinnen können.

Konrad Grob vom Kantonalen Labor Zürich ging mit den EU-Vorschriften zu Lebensmittelkontaktmaterialien (englisch: Food Contact Materials, kurz FCM), die zurzeit überarbeitet werden, hart ins Gericht. Er hält sie schlicht für „nicht praktikabel“. So sei nur ein Bruchteil der heute verwendeten FCMs überhaupt von der EU-Gesetzgebung erfasst. Die offiziellen Kontrollen seien lediglich auf einige wenige bekannte Verbindungen ausgerichtet. Verunreinigungen und Reaktionsprodukte könnten gar nicht erfasst werden. Zu den unzureichenden gesetzlichen Vorgaben käme die mangelhafte Ressourcenausstattung der Behörden, so dass diese oft nicht mehr als Stichprobenkontrollen durchführen könnten.

Die bisherige Gesetzgebung erreichte ihre Ziele nicht – Anpassungen sind überfällig

Konrad Grob vom Kantonalen Labor Zürich ging von der Initiative der Europäischen Kommission aus, die Wirksamkeit der Rahmengesetzgebung zu Lebensmittelkontaktmaterialien/Verpackungen (FCM) zu überprüfen.

Das Konzept, das aus den 1970er Jahren stammt, teilte die FCM in 17 Typen ein und beabsichtigte, für alle eine spezifische Regelung mit einer Liste der autorisierten Ausgangsstoffe sowie Anleitungen zu Migrationstests zu erstellen. In den vergangenen 40 Jahren ist nur ein sehr kleiner Teil davon umgesetzt worden. Die Ressourcen der Behörden reichen bei weitem nicht aus, dieses Konzept zu Ende zu führen. Deswegen besteht seit langem eine grosse Lücke zwischen den allgemeinen Anforderungen an die Sicherheit der FCM und der Realität – kaum ein FCM auf dem Markt erfüllt die Anforderungen an die Sicherheit der migrierenden Stoffe.

Die Hersteller müssen alle nicht spezifisch geregelten migrierenden Stoffe (also die große Mehrheit) selber auf Sicherheit überprüfen. Entsprechend muss die Gesetzgebung angepasst werden: Die Priorität kann nicht mehr die Autorisierung neuer Stoffe sein (ca. 10 Stoffe pro Jahr), sondern die Kontrolle der Hersteller für die vielen Zehntausende von Stoffen, die aus den FCM auf dem Markt in die Lebensmittel übergehen. Das Einfordern und die Überprüfung dieser Selbstkontrolle der Hersteller fällt in den Aufgabenbereich der amtlichen Lebensmittelüberwachung. Die Gesetzgebung muss diese Überprüfung unterstützen, indem sie für klare Anforderungen sorgt (zu liefern von der EFSA), effiziente Kontrollen ermöglicht und diese europäisch harmonisiert. Der heutigen amtlichen Lebensmittelüberwachung fehlt weitgehend die Kompetenz, toxikologische Beurteilungen zu überprüfen. Diese Überprüfung muss von der EFSA unterstützt und die (wohl sehr häufigen) Beanstandungen müssen harmonisiert werden. Schließlich muss harmonisiert festgelegt werden, wie mit nicht konformen FCM umgegangen werden soll (z.B. mittels Arbeitsplänen als Übergangsregelung). Die Gesetzgebung muss also den Fokus von der pre-market Beurteilung von eingesetzten Stoffen auf die Kontrolle der FCM auf dem Markt verschieben.

Schließlich sind die Anforderungen an die Sicherheit der FCM wohl nur durchzusetzen, wenn sie von den Abpackern und der Lebensmittelindustrie eingefordert werden. Diese sind an der Verwendung von solide abgesicherten FCM interessiert, müssen sich dazu aber auf eine verlässliche Beurteilung abstützen können. Deswegen, aber auch aus weiteren Gründen, plädiert Konrad Grob dafür, Materialien mit konformer Absicherung in einer Liste aufzuführen. Auf diese Weise können Hersteller mit einer guten Konformitätsarbeit einen Marktvorteil erzielen.

Konrad Grob rief die Industrie dazu auf, die Selbstkontrolle zu verstärken. Sie müssten alle Migrationsstoffe, die noch nicht zugelassen sind, selbst einer Risikobewertung unterziehen. Die Behörden sollten sich in ihrer Arbeit darauf konzentrieren, die Selbstauskunft der Hersteller zu implementieren und Hilfestellung zu leisten.

Neue EU-Leitlinie definiert Anforderungen an Analyse und Reporting von Mineralöl

Zahlreiche Beiträge und Diskussionen auf der Konferenz der Akademie Fresenius widmeten sich der Analyse und Bekämpfung von Mineralölrückständen. Diese sind seit einigen Jahren eine der größten Herausforderungen für die Hersteller von Lebensmittelverpackungen. Aus Verpackungen aus Altpapier, die zum Beispiel Druckerschwärze enthalten, können Mineralölkohlenwasserstoffe (MOSH = Mineral Oil Saturated Hydrocarbons und MOAH: Mineral Oil Aromatic Hydrocarbons) in Lebensmittel gelangen. MOSH und MOAH werden leicht aus Lebensmitteln in den Körper aufgenommen und reichern sich im Körperfett und in Organen wie Milz oder Leber an. Überwachungsbehörden, Wissenschaft und Politik haben sich des Themas angenommen. Mittlerweile liegen viele Fachgruppen-Ergebnisse, wissenschaftliche Stellungnahmen und Lösungsvorschläge vor.

Anfang 2019 hat das Joint Research Centre (JRC) der EU-Kommission eine Leitlinie zu Probenahme, Analyse und Reporting für das Monitoring von Mineralölkohlenwasserstoffen in Lebensmitteln und Lebensmittelkontaktmaterialien herausgegeben. Stefanka Bratinova vom JRC stellte die Leitlinie auf der Konferenz vor. Sie gibt einen Überblick über die Vor- und Nachteile der verschiedenen Analyseansätze für die MOSH/MOAH-Bestimmung und legt die Mindestleistungsanforderungen für eine relevante Analysemethode fest. Darüber hinaus definiert die Leitlinie die Anforderungen an die Probenahme und Berichterstattung.

Länderarbeitsgemeinschaft Verbraucherschutz legt Orientierungswerte für Mineralölkohlenwasserstoffe in Lebensmitteln vor

Die Länderarbeitsgemeinschaft gesundheitlicher Verbraucherschutz (LAV) und der Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde e. V. (BLL) haben in einem gemeinsamen Projekt „Orientierungswerte für Gehalte an Mineralölkohlenwasserstoffen in Lebensmitteln” festgelegt und im Mai 2019 veröffentlicht. Der Lebensmittelchemiker Rüdiger Helling vom Sächsischen Staatsministerium für Soziales und Verbraucherschutz sieht in dem Projekt ein neues Modell für die Zusammenarbeit zwischen Industrie und Behörden auf dem Gebiet der Lebensmittelsicherheit. Die gemeinsamen Orientierungswerte sollen Überwachungsbehörden, Industrie und Warentestern helfen, bei der Befundbeurteilung von Produkten die Einhaltung einer guten fachlichen Praxis produkt- und prozessspezifisch einzuschätzen. Die Orientierungswerte wurden aus mehr als 10.000 anonymisierten Einzeldatensätzen abgeleitet. Bei der analytischen Überprüfung der Einhaltung der Orientierungswerte dient die Leitlinie des JRC als methodische Bezugsgrundlage. Zurzeit erhebt die Projektgruppe der Länderarbeitsgemeinschaft weitere Datensätze. Nach der Auswertung sollen die Orientierungswerte auf weitere Produktgruppen ausgeweitet werden.


Mikroplastik: Mehr Forschung notwendig

Nicht nur Mineralölrückstände, auch Mikroplastik-Rückstände bergen große Herausforderungen für Verpackungshersteller und Lebensmittelindustrie. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) und das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) haben den Eintrag von Mikroplastik über Lebensmittel analysiert. Alfonso Lampen vom BfR stellte die Ergebnisse vor. Zwar lässt sich heute nachweisen, dass Mikroplastik in die Nahrungskette gelangen kann. Aber die Wissenschaft weiß noch zu wenig über die Aufnahme über die Nahrung, die Bioverfügbarkeit und die toxikologischen Mechanismen. Weitere Forschungen zur Materialcharakterisierung, zum Nachweis sowie zur Zellaufnahme seien zwingend erforderlich.

Erste eigene Untersuchungen des BfR an Kulturen menschlicher Darmepithelzellen sowie im Tierexperiment zeigten, dass Kunststoffpartikel bis zu einem Durchmesser von ca. 4 μm zwar in der Zellkultur von Epithelzellen der Darmwand aufgenommen werden können. Im Tierversuch zeigte sich jedoch, dass trotz Verabreichung sehr großer Mengen Kunststoffpartikel in der Größe von 1 – 10 μm diese nur vereinzelt in den untersuchten Darmepithelzellen zu finden waren. Die bislang am BfR mit verschiedenen Modell-Partikeln durchgeführten Untersuchungen zur oralen Aufnahme von Mikropartikeln ergaben keine Hinweise auf Schädigungen des Darmgewebes.

Umweltfreundliche Plastikalternative mit großem Potenzial: Biobasierte Polymere

Mikroplastik in Lebensmitteln und steigende Plastikhalden aus Einwegprodukten und Verpackungen wecken bei Verbrauchern und Industrie das Interesse für alternative Lösungen. Deshalb rücken Kunststoffverpackungen, welche zumindest teilweise aus nachwachsenden (biobasierten) Rohstoffen hergestellt werden, in den Fokus. Innovationsberater Harald Käb vom Consulting-Unternehmen Narocon gab einen Überblick über die Entwicklung und Vermarktung von Verpackungen aus biobasierten Kunststoffen. Zwar ist der Marktanteil mit 0,5 Prozent in Europa noch denkbar gering. Aber Harald Käb schreibt ihnen erhebliches wirtschaftliches und ökologisches Potenzial zu. Abgesehen von der CO2-Ersparnis böten die biobasierten Polymere auch spezielle Funktionalitäten. Allerdings hinke die EU-Gesetzgebung der Entwicklung hinterher. Noch seien viele Fragen ungeklärt. Außerdem fehle es an Anreizen zur Produktion und Anwendung, so Käb.

Moproweb / moproweb

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