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Tierwohl im
Molkereiprodukteregal
Neue Herausforderungen für Erzeuger und Molkereien
36 8 2020 | moproweb.de
Unsere Autoren: Clara Mehlhose*, Dr. Gesa Busch & Prof. Achim Spiller, Georg-August-
Universität Göttingen, Marketing für Lebensmittel und Agrarprodukte
In diesem Artikel wollen wir uns dem Thema Tierwohl im
Molkereiprodukteregal nähern, denn die Themen Tierwohl
und Tierschutz in der Landwirtschaft werden in
der Milchwirtschaft sowohl öffentlich als auch branchenintern
zunehmend diskutiert. Betrachtet man das Image der Milchwirtschaft
in der Öffentlichkeit, so schneidet Milch (noch) verhältnismäßig
gut ab. Vor allem im Vergleich mit der Fleischwirtschaft,
wird die Milchwirtschaft in der Gesellschaft deutlich positiver
gesehen. Der Handlungsdruck beim Thema Tierschutz ist beim
Milchvieh im Vergleich zur Geflügel- und Schweinehaltung auch
geringer. Dennoch rückt auch die Milchwirtschaft zunehmend
in den Fokus der kritischen Öffentlichkeit und Verbesserungen
sind notwendig. Die gesellschaftlichen Anforderungen an die
Landwirtschaft steigen, die Akzeptanz der landwirtschaftlichen
Nutztierhaltung sinkt und beim Klimaschutz ist die Milchwirtschaft
besonders gefordert.
Diesem Diskurs versucht die deutsche Milchwirtschaft aktiv zu
begegnen und hat Anfang des Jahres 2020 die „Strategie 2030 der
deutschen Milchwirtschaft“ vorgestellt (Verband der deutschen
Milchwirtschaft e.V., 2020). Ein Teil des darin vorgestellten Maßnahmenkatalogs
ist der Aufbau einer in der Öffentlichkeit präsenten
Branchenkommunikation für den deutschen Milchsektor. Erklärtes
Ziel dieser Branchenkommunikation ist neben der nachhaltigen Sicherung
von Akzeptanz und einer abgestimmten Krisen-PR auch
das „Benennen und Abstellen von Schwachstellen im ehrlichen Diskurs
unter Marktpartnern der Lebensmittelkette“. Im Folgenden
soll daher vor dem Hintergrund der steigenden Anforderungen an
die Milchbranche diskutiert werden, inwiefern dies im Rahmen der
Sektorstrategie 2030 möglich ist bzw. welche Herausforderungen
an Bedeutung gewinnen könnten.
Aus ethisch-moralischer Perspektive lässt sich zunächst feststellen,
dass sich das Mensch-Tier-Verhältnis in der Gesellschaft über die
letzten Jahre gewandelt hat und mehr Menschen als früher für die
Bedürfnisse von Nutztieren sensibilisiert sind. Dazu beigetragen hat
u. a. neues Wissen über emotionale, kognitive sowie soziale Fähigkeiten
von Tieren und die genetische Ähnlichkeit zwischen Menschen
und Tieren. Durch Erfahrungen mit Begleit- und Freizeittieren erfahren
viele Menschen heute eine emotionale Bindung zu Tieren und
übertragen Fähigkeiten, die sie bspw. bei ihren Hunden und Katzen
beobachten, auch auf die landwirtschaftlichen Nutztiere.
In unseren Forschungsarbeiten zeigt sich, dass eine anthropozentrische
Sichtweise, d. h. dass der Mensch den Tieren überlegen
ist und mit ihnen umgehen darf wie er möchte, nur noch von
sehr wenigen Menschen vertreten wird. Fast alle Menschen sind
hingegen der Meinung, dass Tiere zwar genutzt und auch getötet
werden dürfen, ihnen aber ein gutes Leben ermöglicht werden
muss und ihre Bedürfnisse befriedigt werden sollten. Rund 20 %
der Menschen sehen darüber hinaus grundsätzliche Probleme bei
der Nutztierhaltung und tendieren in Richtung vegetarischer bzw.
veganer Ernährungsweisen – auch wenn aktuell in Deutschland
nur rund 4 – 5 % der Bevölkerung tatsächlich Vegetarier und rund
1 % Veganer sind (HÖLKER ET AL., 2018). Hinzu kommt, dass viele
Menschen Angst haben, selbst negative Auswirkungen der intensiven
Tierhaltung zu spüren, beispielsweise durch antibiotikaresis-
* Clara Mehlhose, M.Sc. clara.mehlhose@agr.uni-goettingen.de, Arbeitsbereich Marketing für Lebensmittel und Agrarprodukte,
Georg-August-Universität Göttingen, Platz der Göttinger Sieben 5, 37073 Göttingen
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