Der Milchindustrie-Verband berichtet
aus seinen Arbeitsfeldern
Der Brexit:
„The clock is ticking”
Unsere Autorin: Amelie de Grahl, Milchindustrie-Verband
Am 1. Februar 2020 war es
dann soweit: Das Vereinigte
Königreich (VK) hat
die Europäische Union nach 47 Jahren endgültig
verlassen. Die Konsequenzen des Brexits
sind aber noch nicht richtig spürbar, weil
bis Ende des Jahres 2020 eine Übergangsfrist
läuft, während der sich im Grunde nichts ändert.
Aber was kommt danach? Gelingt noch
der sanfte Übergang mit Hilfe eines Partnerschaftsabkommens
oder erwarten uns hohe
Drittlandzölle und strenge Grenzkontrollen?
Die Milchwirtschaft sollte sich auf ein worstcase
scenario vorbereiten.
Geordneter Brexit
Die EU und das VK konnten sich letztes Jahr
im Herbst nach zahlreichen Gipfeltreffen
doch noch auf einen Austrittsvertrag (sog.
Withdrawal Agreement) einigen. Dort sind
drei elementare Dinge geregelt: Die Rechte
und Pflichten der EU-Bürger im VK und umgekehrt,
der finanzielle Aspekt sowie die
Grenzregelung zwischen der Republik Irland
und Nordirland. Damit findet der Austritt
des VK zunächst in geordneten Bahnen
statt, ein harter Brexit konnte vorerst vermieden
werden.
Die Irland-Frage
Der Grund für das lange Ringen um ein
Austrittsabkommen war, dass der von der
16 10 2020 | moproweb.de
damaligen Premierministerin Theresa May
zunächst akzeptierte „Backstop“ keine Rückendeckung
vom britischen Unterhaus
bekam. Die EU und das VK hatten sich nämlich
darauf geeinigt, dass das VK (inkl. Nordirland)
vorübergehend in der EU-Zollunion
und dem EU-Binnenmarkt verbleibt, damit
eine Grenze auf der irischen Insel verhindert
wird. Diese Situation sollte so lange gelten,
bis das VK in einem zukünftigen Handelsabkommen
mit der EU eine Lösung für eine
flexible Grenze mit Irland gefunden hat.
Doch die „Backstop-Regelung“ gefiel den
britischen Abgeordneten nicht, weil das VK
als Teil der EU-Zollunion in keine Verhandlungen
mit Drittländern hätte treten können.
Auch wäre es dem EU-Binnenmarktrecht
unterworfen gewesen, ohne dieses jedoch
mehr beeinflussen zu können. Das Unterhaus
lehnte daher das Austrittsabkommen
mehrmals ab. Theresa Mays musste das mit
ihrem Rücktritt bezahlen.
Mays Nachfolger, Boris Johnson, versprach
als erstes, die „Backstop-Regelung“
zu streichen und eine praktikable Lösung
mit Irland zu finden. Nach Monaten intensiver
Beratungen wurde im Oktober 2019
ein überarbeitetes Protokoll zu Irland/
Nordirland verabschiedet. Es wurde für
Nordirland eine Hybrid-Lösung gefunden.
Einerseits verbleibt es in einer Zollunion
mit dem VK, damit es von zukünftigen Freihandelsabkommen
des VK profitieren kann.
Andererseits wird es einen Großteil des EUBinnenmarktrechts
weiterhin anwenden,
damit Grenzkontrollen zwischen Irland und
Nordirland vermieden werden.
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