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Wird der Produktionsprozess
3 2018 | moproweb.de 41
beherrscht?
Technik/IT | mi
Unser Autor: Prof. Dr. Eberhard Wüst, Hochschule Hannover (Fachhochschule) – University of Applied
Sciences Fakultaet 2 – Faculty 2 Abteilung Bioverfahrenstechnik – Department of Bioprocess Engineering
Heisterbergallee 10 A, 30453 Hannover, Telefon: +49 511 9296 2213, Fax: +49 511 9296 2210,
E-Mail: eberhard.wuest@hs-hannover.de
Neben dem unternehmenseigenen Interesse, ob man
seinen neuinstallierten oder schon jahrelang betriebenen
Produktionsprozess beherrscht, wird verstärkt
von Auditorenseite im Rahmen von Zertifizierungen
der diesbezügliche Nachweis gefordert. Insofern ist es notwendig,
sich hiermit zu beschäftigen und entsprechende Informationen bereitzustellen.
Dieser Beitrag beschäftigt sich auch mit der Sinnhaftigkeit
dieser Informationen, um den Stellenwert dieser im Unternehmenskontext
zu ermöglichen.
Was ist Prozessbeherrschung?
Kunden bestellen ein Produkt mit bestimmten Spezifikationen, z. B.
im Hinblick auf Inhaltsstoffkonzentrationen. Der Gesetzgeber hat in
seinen „Produktverordnungen“ (z. B. Verordnung über Milcherzeugnisse)
Erfüllungsanforderungen gestellt, unter welchen Bedingungen
ein Produkt wie bezeichnet werden darf. So z. B. muss teilentrahmte
Trinkmilch als Standardsorte einen Fettgehalt zwischen 1,5 % und
1,8 % aufweisen. Ebenfalls können betriebsinterne Vorgaben vorhanden
sein, deren Einhaltung Prozessbeherrschung bedeuten.
Prozesse unterliegen immer Schwankungen, die man in zwei Kategorien
einteilen kann:
• Lageänderung (Veränderung des Mittelwerts)
• Streuungsänderung (Veränderung der Standardabweichung)
Hieraus resultiert die Frage, ob der Prozess in der Lage ist, die Vorgaben/
Spezifikationen/Grenzen einzuhalten. Klar ist, dass es keine
„Null-Fehler-Produktion“ gibt, d. h. jede Produktion verletzt irgendwann
die Vorgaben. Man will aber abschätzen, wie hoch die Ausschussquote
ist.
Eine Größe, die Aussagen bzgl. Einhaltung von Vorgaben und zur
Ausschussquote tätigt, ist der Cpk-Wert, genannt kleinster Prozessfähigkeitsindex.
Dieser ist z. B. in der DIN ISO 22514-2 definiert:
Hierbei sind
OT: obere Toleranzgrenze bzw. obere Spezifikationsgrenze
UT: untere Toleranzgrenze bzw. untere Spezifikationsgrenze
: arithmetischer Mittelwert für interessierende Größe, ermittelt
aus Prozessuntersuchungsergebnissen
σ: zufallsbedingte Standardabweichung für interessierende Größe
Der Nenner von 3*σ resultiert aus der Erfahrung, dass in einem Konfidenzintervall
von 3*σ um den Mittelwert – das Intervall ist dann 6*σ
lang – 99,73 % der Prozesswerte sich befinden. σ ist hierbei die Standardabweichung,
die nur den zufälligen Anteil der Prozessstreuung
beinhaltet. Der Grund ist, dass der Zufall nicht beherrscht werden
kann, d. h. diese Art von Prozessschwankung kann immer auftreten
und nicht „abgestellt“ werden. Man ermittelt σ, indem man Proben
im kurzen zeitlichen Abstand entnimmt, wobei in der Zwischenzeit
kein Prozesseingriff erfolgt ist. Man berechnet die Standardabweichung
für die Stichprobe. Hat man dies für mehr als 10 Stichproben
gemacht, so kann man den arithmetischen Mittelwert der Standardabweichungen
als Wert1 für σ nehmen.
1 Bei weniger Stichproben gibt es in Abhängigkeit der Stichprobenanzahl einen Korrekturfaktor.