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Vorsicht Milch!
Die Besonderheiten für das Controlling in Molkereien
Unser Autor: Prof. Dr. Stefan Bayr, Dr. Bayr Consulting, Malzhauserstr. 10,
86453 Dasing-Tattenhausen, Telefon 08205-963707, E-Mail: info@bayr-business-consulting.de
Das Controlling muss für Molkereien nicht neu erfunden
werden. Es können vorhandene Controllingkonzepte
und -instrumente angepasst an die individuellen
Anforderungen eines Unternehmens angewendet
werden. Leider ist das aber für Molkereien nicht ausreichend, da
der Faktor Milch und die daraus produzierten Milchprodukte mit
ihren Eigenschaften und Besonderheiten auch eine spezielle Berücksichtigung
im Controlling erfordern. Im Folgenden werden
diese beschrieben und es wird auf die daraus resultierenden Konsequenzen
für das Controlling bzw. für die betriebswirtschaftliche
Steuerung in Molkereien eingegangen:
1. Die Rohstoffkosten für Milch sind in Molkereien mit Abstand
der bedeutendste Kostenfaktor. In den meisten Molkereien
bewegt sich der Anteil der Rohstoffkosten an den Gesamtkosten
im Bereich zwischen 50 % und 75 %.
Konsequenz: Der Rohstoff Milch muss wegen dieser herausragenden
wirtschaftlichen Bedeutung besonders transparent in
seinen Rohstoff- und Produktflüssen, in der Planung, Kontrolle,
Steuerung und Kalkulation sein.
2. In Molkereigenossenschaften enthalten die Rohstoffkosten
für die Milch der Mitglieder auch eine Kapitalverzinsungs- und
Gewinnkomponente. Die Rohstoffkosten werden außerdem
durch die Milchpreisentscheidung vom Unternehmen festgelegt.
Konsequenz: Für betriebswirtschaftliche Auswertungen und
Entscheidungen müssen Kapitalverzinsungs- und Gewinnbestandteile
neutralisiert werden.
3. Der Rohstoff Milch ist kein homogener Rohstoff, sondern
setzt sich aus unterschiedlichen wertgebenden Komponenten
zusammen, die täglich und saisonal aufgrund unterschiedlicher
Fütterung, Kuhrassen, Abkalbezeiträume u. ä. schwanken. Dabei
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handelt es sich v. a. um den Gehalt an Fett, Kasein, Molkenproteine
und Laktose. Die Preise für den Rohstoff Milch und für die
wertgebenden Komponenten verhalten sich zunehmend volatil.
Des Weiteren ergeben sich auch jahreszeitliche Schwankungen
in der angelieferten Rohmilchmenge der Vertragslieferanten.
Konsequenz: Erhöhte Anforderungen an die produktionsseitige
und betriebswirtschaftliche Steuerung des Rohstoffs Milch und
seiner werthaltigen Komponenten. In diesem Zusammenhang
stellt sich auch die Frage der Bewertung dieser Komponenten.
4. Die Herstellprozesse in Molkereien sind durch einen hohen
Anteil an Kuppelproduktionsprozessen und durch verschiedene
zerlegende- und zusammenführende Prozesse
gekennzeichnet. Dies hat sich durch die Entwicklungen der
Membrantechnologien in den letzten Jahren verstärkt. In Verbindung
mit der unterschiedlichen Zusammensetzung des Rohstoffs
Milch ergeben sich variable und mehrstufige Rezepturen.
Konsequenz: Ebenfalls erhöhte Anforderungen an die produktionsseitige
und betriebswirtschaftliche Steuerung des Rohstoffs
Milch inklusive entstehender Zwischen- und Kuppelprodukte.
Es ergeben sich die betriebswirtschaftlichen Probleme
der Kuppelproduktkalkulation.
5. Der „Abnahmezwang” des Rohstoffs Milch: Molkereien
sind verpflichtet, die leicht verderbliche Rohmilch ihrer
Milchlieferanten permanent abzunehmen, sofern sie die festgelegten
Qualitätsanforderungen erfüllt. Da aus Qualitätsgründen
eine Lagerung der angelieferten Rohmilch in der
Molkerei nicht möglich ist, muss die Anlieferungsmilch einem
anerkannten Pasteurisierungsverfahren unterworfen werden.
Das hat zur Folge, dass eine Molkerei täglich zumindest
die Rohmilch pasteurisieren und eingestellte Milch für weitere
Produktionsprozesse bereitstellen muss. Zum anderen
muss eine Molkerei auch dann die Milch ihrer Lieferanten