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MIV- Jahrestagung 2023 in Salzburg

Datum: 20.10.2023Quelle: molkerei-industrie

In seiner Begrüßung zum offiziellen Teil der Jahrestagung des Milchindustrie-Verbandes MIV am 20. Oktober in Salzburg zitierte der MIV-Vorsitzende Peter Stahl (Hochland) die Aussage von Kanzler Scholz, dass sich Bürokratie, Risikoscheu du Verzagtheit wie Mehltau über das Land ausgebreitet haben. Tatsächlich belastet ein stetiger Strom von immer neuen Auflagen aus Brüssel und Berlin die Molkereiunternehmen und deren Mitarbeiter, stellte Stahl fest, die in Frage stellte, ob die deutsche Wirtschaft in Haftung für globale Lieferketten genommen werden kann. Dies sei vielmehr eine Frage von Ordnungspolitik, um die sich nicht die Wirtschaft, sondern klassischerweise der Staat zu kümmern hat Um die finanziellen Auswirkungen der Ordnungswut kümmert sich der Staat im Übrigen nicht, sagte Stahl mit dem Hinweis auf inzwischen 29 „Sondervermögen“ im deutschen Haushalt. Von einer Schuldenbegrenzung sei schlichtweg nichts mehr zu spüren.

Eingehend auf die Scharfschaltung des Art. 148 GMO erklärte Stahl, dass es offenkundig politische Absicht ist, in die Lieferverträge zwischen Molkereien und Milcherzeugern einzugreifen, ganz gleich was das Thünen-Institut basierend auf seinen Untersuchungen empfohlen haben mag. Betroffen sind über 300 Milchkäufer, die nun wohl alsbald ihre Verträge überarbeiten müssen – ohne dass dies Vorteile für Wettbewerbsfähigkeit der Branche oder für die Stellung der Landwirte bringt.

Etwas Hoffnung konnte Stahl mit dem Hinweis verbreiten, dass ein Antrag des MIV auf eine rückwirkende Entlastung der Molkereien und Käsereien von den Energiekosten staatlicherseits aller Wahrscheinlichkeit nach angenommen wird. Dies würde einen Rückfluss von 110 Mio. € über die kommenden Jahre bringen, der allerdings zu 50% in Energieprojekte investiert werden muss. In diesem Zusammenhang dankte Stahl der Umweltgruppe im MIV für ihren Einsatz.

Österreich

Josef Braunshofer, Geschäftsführer der größten österreichischen Molkerei Berglandmilch, informierte die weit über 100 Tagungsteilnehmer über den Milchmarkt seines Heimatlandes. Durchschnittlich hält der österreichische Milcherzeuger 24 Kühe und liefert um die 150.000 kg Rohstoff im Jahr. Diese Strukturen sind besonders von der Topografie des Landes bestimmt, dessen Fläche nur 30% LN und 45% Wald beinhaltet. 51% der Agrarfläche sind zudem Grünland. Einen gewissen Einfluss auf die Strukturen hatte auch die Milchquote, die Österreich bereits 1978 eingeführt hat.

Überraschend ist die Vielfalt an Milchsorten im Land, allein die Berglandmilch bietet 20 Rohstoffströme, von konventionell (ohne Gentechnik) bis hin zur Biobergbauernheumilch aus der Region Kitzbühel. Diese Fülle an Spezialitäten biete den Landwirten aber auch Möglichkeiten zur Wertschöpfung, sagte Braunshofer. Der Grundpreis bei der Berglandmilch ist übrigens für alle Bauern ebenso gleich wie die Höhe der Zuschläge. Wichtig ist allein, dass letztere auch im Markt verdient werden. Eine Quersubvention innerhalb der Genossenschaft lehnt Braunshofer ab, was übrigens auch für Biomilch gilt.

In Zukunft werden sich die österreichische Milchwirtschaft verstärkt mit der artgerechten Tierhaltung, dem Verzicht auf Zukaufsdünger und Kraftfutter, dem CO2-Fußabdruck und Methanemissionen usw. beschäftigen, um die gesellschaftliche Akzeptanz zu erhalten, erklärte Braunshofer. Der Molkereimanager ist gegen die Kennzeichnung von Grundnahrungsmitteln wie Mopro mit dem Nutri-Score; über den Geschmack österreichischer Mopro brauche man nicht zu diskutieren, die größte Anerkennung erfahre dies von Seiten der Milchalternativen, die möglichst nahe an den originären Milchgeschmack kommen wollen.

Verpackung der Zukunft

Dr. Joachim Christiani, Geschäftsführer Institut cyclos http, sprach darüber, wie die Verpackung der Zukunft beschaffen sein muss. Aktuell herrsche in Brüssel ein Kampf der Ideologen, speziell was die Recyclingfähigkeit von Verpackungen angeht. Nach dem was möglicherweise mit der sog. PPWR-Regelung aus Brüssel auf die Industrie zukommt, könnte es ab 2035 durchaus zu Vertriebsverboten kommen. Zur Beurteilung der Recyclingfähigkeit werden alle Bestandteile einer Verpackung herangezogen, als Grenzwert gilt, dass 80% der Verpackungsbestandteile recycelbar sein müssen. Christiani ging auf typische, in Molkereien und Käsereien verwendeten Verpackungen ein und zeigte auf, wie diese aus Sicht der PPWR abschneiden. Seine Empfehlung lautet, dass aktuell angesichts des ungewissen Ausgangs der Diskussionen in Brüssel noch kein Wechsel der Packmittelbasis erfolgen sollte. Aber alle Unternehmen sollten einen Plan B entwickelt haben, wenn am Ende des Prozesses doch ein Vertriebsverbot für spezielle Verpackungen verhängt werden würde. Schon jetzt sollten aber bei Ausschreibungen für die dualen Systeme Einzelnachweise für das Recycling vorgegeben werden. So werden die Verwerter gezwungen, ihre Dienstleistungen entsprechend weiter zu entwickeln.

 

Alternative Proteine

Tilman Reiser, Manager bei der Unternehmensberatung Dr. Wieselhuber & Partner mit beruflichem Hintergrund bei Arla, widmete sich dem Thema „Alternative Proteine – Hype oder reelle Zukunftschance?“. Reiser zufolge sind Alternative Proteine bzw. Produkte eine Ergänzung des Programms von Molkereien, wichtig auch vor dem Hintergrund der Risikostreuung und einer künftig tendenziell sinkenden Milchmenge. Im Gegensatz zu Oatly, das andauernd neue Rekordverluste einfährt, sagen in einer MIV-Umfrage 62% der relevanten Molkereien, dass ihr Geschäft mit Moproersatz profitabel ist. Der Hype ist inzwischen aus dem AltProt-Geschäft verschwunden, der Pro-Kopf-Verbrauch liegt aktuell bei 0,8 kg, ob er die bis 2028 prognostizierten 1,5 kg erreicht, ist fraglich. Dennoch schätzen 70% der befragten Molkereien die Aussichten für den AltProt-Markt als gut bis sehr gut ein.

Wichtig für alle Hersteller von AltProt ist, auf die wirtschaftliche Verwertung von Kuppelprodukten ebenso zu achten wie auf die Rohstoffverfügbarkeit.

In der Diskussion zweifelte Steffen Rode, Lactoprot, an der Wirtschaftlichkeit der Präzisionsfermentation. Um ein Kilogramm α-Lactalbumin oder β-Lactoglobulin aus der Fermentation zu bekommen, müsse man 10 kg Zucker einsetzen. Dazu kommen beträchtliche Kosten für die sterile Fermentationstechnik, ein 100 m³ Fermenter kostet lt. Rode 5 Mio. €. Und um den Proteinbedarf einer mittleren Molkerei zu decken, bräuchte es 100 Fermentern im permanenten Einsatz. Reiser war gleichwohl der Meinung, dass Produkte aus der Präzisionsfermentation in wenigen Jahren auch auf den europäischen Markt kommen werden und riet den Molkereien, sich mit dem Thema zu beschäftigen bzw. auch Innovation zu betreiben, um den Markt voran zu bringen.

 

 

 

Roland Sossna / moproweb

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