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Warum man Kokosmilch, aber nicht Tofubutter sagen darf

Datum: 2017-06-23 15:00:00Quelle: CMS

 

 

Unser Autor: Dr. Dirk Smielick ist Rechtsanwalt bei CMS in Deutschland

 

 

Der Europäische Gerichtshof hat am 14. Juni 2017 sein Urteil in Sachen Verband Sozialer Wettbewerb gegen TofuTown.com gesprochen (EuGH C-422/16). In seiner Entscheidung setzt sich der EuGH mit der Frage auseinander, ob für Erzeugnisse auf pflanzlicher Basis, die mit typischen Milcherzeugnissen wie Butter oder Käse ähnlich sind, Angaben wie etwa „Tofu-Butter“ oder „Pflanzenkäse“ verwendet werden dürfen. Dabei kommt der EuGH zu dem Ergebnis, dass dies grundsätzlich nicht möglich ist. Die Entscheidung des EuGH stärkt damit die Position der Milch verarbeitenden Lebensmittelindustrie und schützt diese vor einer Ver-wässerung der nach traditionellem Verbraucherverständnis nur für Milcherzeugnisse auf tieri-scher Basis verwendeten Produktbezeichnungen.

 

Klagender Verband hielt Verhalten von TofuTown.com für wettbewerbswidrig 

Die Entscheidung des EuGH war Folge eines Rechtsstreits zwischen dem Verband Sozialer Wettbewerb e.V. („VSW“) und der TofuTown.com GmbH („TofuTown“). TofuTown bewarb und vertrieb pflanzliche Produkte unter Bezeichnungen wie „Soyatoo Tofubutter“, „Pflanzen-käse“, „Veggie-Cheese“ oder „Rice Spray Cream“. Der klagende Verband sah darin ein wett-bewerbswidriges Verhalten. Seiner Ansicht nach verstieß TofuTown durch die Verwendung dieser Bezeichnungen gegen die unionsrechtlichen Regelungen über eine gemeinsame Markt-organisation für landwirtschaftliche Erzeugnisse (Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 vom 17. Dezember 2013). Denn die entsprechenden europäischen Regelungen sähen vor, dass Be-zeichnungen wie insbesondere „Rahm“, „Butter“ oder „Käse“ allein Milcherzeugnissen auf tierischer Basis vorbehalten seien. Der VSW verklagte daher TofuTown vor dem Landgericht Trier auf Unterlassung der weiteren Verwendung der von ihr verwendeten Bezeichnungen. Dem hielt TofuTown entgegen, dass sich das Verständnis der Verbraucher in den letzten Jah-ren erheblich geändert habe. Zudem würden die Ausdrücke keinesfalls in Alleinstellung ver-wendet, sondern nur in Kombination mit begrifflichen Zusätzen (zum Beispiel wie etwa bei „Tofu-Butter“ oder „Rice Spray Cream“), denen ein Hinweis auf den pflanzlichen Ursprung der Produkte zu entnehmen sei. Ein Verstoß gegen gesetzliche Bestimmungen des Unions-rechts läge daher nicht vor.

 

Das Landgericht Trier war sich über die Auslegung der europäischen Vorschriften im Unkla-ren und rief daher den EuGH im Wege des Vorabentscheidungsersuchens um Klarstellung an. Insbesondere sei von diesem zu klären, ob einem Verstoß gegen Art. 78 der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 in Verbindung mit dessen Anhang VII Teil III Nr. 1 und 2 durch die Aufnah-me klarstellender oder beschreibender Zusätze vorgebeugt werden könne und ob die im Ein-zelnen im Anhang VII Teil III Nr. 2 aufgeführten Bezeichnungen ausschließlich Milcher-zeugnissen tierischen Ursprungs vorbehalten seien.

 

EuGH folgt verbindlichen Vorgaben des Unionsgesetzgebers 

Nach den unionsrechtlichen Bestimmungen bezeichnet der Ausdruck „Milch“ ausschließlich ein durch ein- oder mehrmaliges Melken der normalen Eutersektion gewonnenes Erzeugnis ohne jeglichen Zusatz oder Entzug. „Milcherzeugnisse“ sind die ausschließlich aus der Milch gewonnenen Erzeugnisse; es dürfen allenfalls die für die Herstellung erforderlichen Stoffe zugesetzt werden, sofern dies nicht geschieht, um einen der Milchbestandteile vollständig oder teilweise zu ersetzen. Bezeichnungen wie „Molke“, „Butter“, „Käse“ oder „Joghurt“ sind wiederum ausdrücklich nur Milcherzeugnissen vorbehalten. Angesichts dieser verbindlichen gesetzlichen Vorgaben kam der EuGH zu dem Ergebnis, dass die entsprechenden Bezeich-nungen allein Produkten tierischen Ursprungs vorbehalten seien. Hieran änderten nach Auf-fassung des EuGH auch die im Anhang VII Teil III Nr. 1 und 3 vorgesehen Möglichkeiten der Verwendung zusätzlicher Begriffe nichts. Denn auch diese Ausnahmeregelungen würden davon ausgehen, dass unverändert ein tierisches Erzeugnis vorliege und es nicht vollständig durch ein pflanzliches Produkt ersetzt sei.

 

TofuTown half es auch nichts, dass Angaben wie „Kokosmilch“, „Kakoabutter“ oder „Fleischkäse“ zulässigerweise verwenden werden dürfen. Der EuGH verwies insoweit darauf, dass die entsprechenden Ausnahmen dem Beschluss der Kommission vom 20. Dezember 2010 (Az. K(2010) 8434) entstammten. Dieser enthalte explizit zahlreiche Begriffe für Erzeugnisse, deren Art angesichts ihrer traditionellen Verwendung dem Verbraucher genau bekannt sei. Die entsprechenden Bezeichnungen seien deshalb ausdrücklich von den unionsrechtlichen Vorgaben nach Anhang VII Teil III Nr. 1-3 ausgenommen. Angaben wie „Soja“, „Tofu“ oder „rice spray cream“ fänden sich jedoch nicht in dem Beschluss der Kommission.

 

Einen Verstoß gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip oder eine ungerechtfertigte Ungleich-behandlung sah der EuGH ferner nicht. Die unionsrechtlichen Regelungen seien von den Zie-len der Verbesserung der wirtschaftlichen Bedingungen für die Erzeugung und Vermarktung von Milcherzeugnissen sowie ihrer Qualität, dem Schutz der Verbraucher vor einer Irrefüh-rung und dem Erhalt der Wettbewerbsbedingungen gedeckt. Das Erzeuger vegetarischer Fleisch- oder Fisch-Alternativprodukte nicht entsprechenden Beschränkungen unterlägen, sei hinzunehmen, da es sich insoweit um andere Sektoren mit eigenen Besonderheiten handele.

 

Grundsätzlich mehr Rechtssicherheit 

Die Entscheidung des EuGH überzeugt, mag sie auf den ersten Blick auch nur schwer mit einem modernen Verbrauchverständnis zu vereinbaren sein. Die stellenweise dem EuGH im Nachgang zu seiner Entscheidung entgegengebrachte Kritik, eine Täuschung des Verbrauchers sei abwegig beziehungsweise die Sichtweise des EuGH gehe an dem vom ihm selbst etablierten Leitbild des durchschnittlich aufmerksamen, verständigen und informierten Ver-brauchers vorbei, geht fehl. Denn sie verkennt, dass der EuGH nicht darüber zu entscheiden hatte, ob mit der Verwendung der angegriffenen Bezeichnungen die Gefahr einer Irreführung der Verbraucher (etwa im Sinne von § 5 UWG oder Art. 7 der Verordnung (EU) Nr. 1169/2010 [LMIV]) verbunden ist. Diese Frage hat letztlich vielmehr bereits der europäische Gesetzgeber durch die eindeutigen gesetzlichen Vorgaben beantwortet. Ein Wertungsspiel-raum in dieser Hinsicht blieb dem EuGH daher nicht.

 

Für die Lebensmittelindustrie bringt die Entscheidung mehr Rechtssicherheit und sie schützt die Interessen der Milcherzeuger. Die Verwendung traditionell zur Bezeichnung von Milcher-zeugnissen vorbehaltener Ausdrücke für Lebensmittel rein pflanzlichen Ursprungs ist selbst dann unzulässig, wenn dies in Verbindung mit aufklärenden Zusätzen oder ergänzenden Be-griffen geschieht. Wann von einer Milcherzeugnissen vorbehaltenen Bezeichnung auszugehen ist, lässt sich dabei allerdings nicht allein anhand der Auflistung in den unionsrechtlichen Vorgaben beantworten. Denn auch nur rein tatsächlich verkehrsüblicherweise zur Kennzeich-nung von Milcherzeugnissen verwendete Ausdrücke im Sinne von Art. 17 der LMIV, wie etwa Sahne oder Quark, fallen hierunter. Je nach Einzelfall kann daher gleichwohl eine sorg-fältige Bestimmung des Verkehrsverständnisses erforderlich sein. Klarzustellen ist im Übrigen, dass das Urteil des EuGH nicht etwa der Verwendung von Bezeichnungen wie „laktosefreie Milch“ entgegensteht. Denn bei ihr handelt es sich unverändert um ein Erzeugnis tierischen Ursprungs und die Verwendung einer entsprechenden Bezeichnung ist über die Aus-nahmeregelungen der unionsrechtlichen Vorgaben gedeckt.

 

Moproweb / moproweb

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