Der Milchindustrie-Verband berichtet
aus seinen Arbeitsfeldern
Reform folgt Reform
Unser Autor: Eckhard Heuser, Milchindustrie-Verband e. V.
Die Brüsseler Gesetzesmaschine
läuft weiter. Eine große
Agrarreform ist für das Jahr
2020 angekündigt. Vorher
werden noch technische Anpassungen
an allen Agrarregelungen vorgenommen,
danach startet die große Diskussion. Die
Kommission in Brüssel will im Frühjahr
2018 bereits erste Papiere vorlegen. 751
Mitglieder im Europaparlament werden
am Ende des Tages über das Reformwerk
entscheiden, wobei der Ministerrat ein
entscheidendes Wörtchen mitzureden
hat. Im Parlament sitzen 751 Abgeordnete,
die Größe des deutschen Bundestages
erscheint dagegen riesig. Die Mehrheit
haben die bürgerlichen Parteien (EVP)
1991
91 % 95 %
10 10 2017 | moproweb.de
mit 216 Sitzen, gefolgt von den Sozialisten
mit 190 Sitzen. Laut sind, aber wenige
Sitze haben die Grünen mit 51 Abgeordneten.
96 deutsche Abgeordnete vertreten
die deutschen Interessen. Allerdings
sind in 2019 nochmals Europa-Wahlen,
was die Entscheidungsfindung bei der Agrarreform
schwierig werden lässt. Wenn
Deutschland seine Kanzlerin behält und
der französische Präsident seine eigenen
Reformen überlebt, dürften vernünftige
Beratungen in Brüssel möglich sein. Das ist
die Ausgangslage.
Der Agrarteil des EU-Haushaltes ist der
größte. Dementsprechend groß sind die
Begehrlichkeiten anderer Ressorts. Keiner
weiß, wann der Brexit vollzogen wird oder
ab wann welches Geld aus dem Vereinigten
Königreich nicht mehr fließt. Es müssen
also große Platzhalter bei den Reformplänen
untergebracht werden. Die Entscheidungen
werden somit recht spät gefällt,
Planungssicherheit für die Landwirte wird
es kaum geben.
Es wird die große Stunde der osteuropäischen
Länder. Diese sind zwar Vollmitglieder,
bekommen aber bis heute nur anteilige
Zahlungen beim Agrarbudget. Man
hofft und kämpft nun für eine vollständige
Anpassung der Flächenprämien in
diesen Ländern, was dort aber lediglich die
Ackerpreise und Pachten ansteigen lassen
wird. Die deutsche Zahlungsbilanz gegenüber
der EU wird sich verschlechtern, das
steht schon heute fest.
Die derzeit noch hohen Lagerbestände
in der EU befeuern eine Diskussion um das
richtige Krisenmanagement. Früher war
der Ankauf durch Brüssel meistens ein gutes
Geschäft. Die Ware konnte „kurz nach
Krise“ immer mit Aufschlägen verkauft
werden. Brüssel war der größte Milchpulverhändler
der Welt. Derzeit sehen wir
eine paradoxe Situation: Ankauf findet
zu kleinem Interventionspreis bei Pulver
statt, während gleichzeitig Ware zum Verkauf
angeboten wird. Kein Ökonom versteht
das, wahrscheinlich auch kein Landwirt.
Andererseits darf man den Vorgang
auch nicht überbewerten: Brüssel hatte
über 500 Mio. € in zwei Jahren für das eingelagerte
Pulver ausgegeben, verglichen
EU-Haushalt – Struktur des EU-Agrarhaushaltes
1991 und 2016
Haushaltsstruktur 1991
Haushaltsstruktur 2016*
Direktzahlungen
9 % 73 %
Ländliche Entwicklung
0 % 22 %
Marktstützung
2016
* Haushaltsentwurf der EU-Kommission, ohne nationale Umverteilung
Quelle: Europäische Kommission