Ethik als Marktfaktor

molkerei-industrie_02_2016

mi | Management Marktfaktor für die Lebensmittelwirtschaft Ethik, Teil 1 Unser Autor: Dr. Jochen Hamatschek, Gesellschaft Deutscher Lebensmitteltechnologen; E-Mail: jochham@online.de Die rund 81 Millionen Verbraucher in Deutschland geben etwa 12 Prozent des verfügbaren Einkommens für ihre Ernährung aus (DESTATIS 2013). Eingekauft wird hauptsächlich im Lebensmitteleinzelhandel, der von einem Oligopol beherrscht wird: die vier größten Unternehmen besitzen einen Marktanteil von über 80 Prozent. Die Lebensmittelindustrie beliefert den Handel und ist aufgrund von dessen Marktmacht einem starken Wettbewerb ausgesetzt. Mehrere Lebensmittelskandale der jüngeren Zeit inklusive diverser Kartellvergehen veranlassten die Verbraucher, der Lebensmittelwirtschaft massiv zu misstrauen. Das Misstrauen trifft insbesondere die Lebensmittelindustrie: nur noch ein Drittel vertraut ihr, dem Handel nur jeder Zweite. Die Landwirtschaft als erstes Glied der Wertschöpfungskette, die der Industrie die pflanzlichen oder tierischen Rohstoffe zur Verfügung stellt, genießt mit mehr als 80 Prozent Vertrauen eine hohe Zustimmung (Amann 2014). Immer mehr sieht der Verbraucher legale Handlungen der Lebensmittelindustrie als illegitim an und bringt damit eine moralische, emotional gestützte Komponente ins Spiel. Abbildung 1 fasst die wesentlichen derzeitigen ethisch motivierten „Aufreger“ zusammen. Im Folgenden werden Tierethik, Zusatzstoffe, Nachhaltigkeit, Regionalität und als eine Konsequenz daraus die individualisierte Ernährung beleuchtet und einige Reaktionen der Lebensmittelindustrie bzw. der Lebensmittelwirtschaft beschrieben. Die Lebensmittelindustrie Die Lebensmittelindustrie ist der drittgrößte deutsche Industrieverband mit einem Umsatz 2014 über 173 Milliarden Euro. Die Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE) zählt über 5800 Mitgliedsunternehmen. Milch und Molkereiprodukte stehen dabei für etwa 15 Prozent des Umsatzvolumens (BVE 2015a), die nach einem rasanten Konzentrationsprozess in nur noch 149 milchverarbeitenden Betrieben erwirtschaftet werden (DMV-Beilage im Journalist 9, 2015). Die meisten Unternehmen der Milchwirtschaft sind als Großbetriebe zu sehen, die über die „Economy of scales“ versuchen, im extremen Wettbewerb eine ausreichend Marge zu erwirt- Auch die Lebensmittelindustrie sieht sich zunehmend in der Pflicht, ein schlagkräftiges Compliance System einzuführen bzw. weiter auszubauen und um ethische Elemente zu ergänzen. Der Verbraucher misstraut der Industrie überwiegend. Er selber bewegt sich zwischen den Polen aufgeklärt, bewusst und kritikloser Konsument. Über 40 % der Bundesbürger kochen nicht mehr selber. Die Anzahl an Vegetariern, Veganern, an Paläoernährung, Low Carb-Ernährung, Rohkost-Ernährung usw. nimmt andererseits zu, hauptsächlich bei bewussten Verbrauchern. Gründe sind vor allem ethische, aber auch gesundheitliche Motive (Vielfalt der Ernährungsformen). Die Umwelt wird zunehmend als zerbrechliches Gut erkannt, das es zu schützen gilt (Nachhaltiges Wirtschaften). Unter dem Begriff wird auch der Wunsch nach regionalen Produkten ohne lange Lieferwege gesehen. Massentierhaltung, Monokultur, Antibiotikaeinsatz, Genfood werden abgelehnt. Der Wunsch nach Artgerechter Haltung hat u. a. die Aktion „Tierwohl“ hervorgebracht. Zusatzstoffe mit E-Nummern werden kritisch gesehen, die Lebensmittelindustrie sucht mit Hochdruck nach Ersatz, um Lebensmittel mit Clean Label anbieten zu können. In Summe ergeben diese Ethik-Aspekte eine Art „Weltethik“. 36 2 2016 | moproweb.de


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