mi-Meinung: - Kommentar: Nicht im Markt herumpfuschen - Klartext: Stuss statt Beschluss

molkerei_industrie_05_2016

mi | mi-Meinung REDAKTION „Nach schwierigen Verhandlungen haben die Agrarminister von Bund und Ländern sich darauf verständigt, in Brüssel weitergehende Hilfen zugunsten der krisengebeutelten Milcherzeuger einzufordern“, wurde in der Agrarfachpresse das Ergebnis der Mitte April ausgerichteten Länderagrarministerkonferenz kommentiert. Tatsächlich ist das „Ergebnis“, wenn man es denn als solches überhaupt bezeichnen will, eher Ausdruck einer zum X-ten Male mit Aktionismus übertünchten, grundlegenden Hilflosigkeit der Politik gegenüber Entwicklungen im Markt. Das Konzept, dass staatliche Hilfen an Mengenbeschränkungen gebunden werden sollen, ist wieder einmal nichts anders als ein Ansatz zur Planwirtschaft, auch wenn dieser mit der Floskel „Kriseninstrument in Zeiten einer katastrophalen Marktstörung“ geschönt wird. Einmal Quote, immer Quote, und sei es auch nur ein Quötchen, so lautet das Lieblingsrezept der ganz offenbar von Marktverständnis weit- 4 5 2016 | moproweb.de Nicht im Markt herumpfuschen Die deutsche Agrarpolitik gibt sich wieder einmal ignorant und beratungsresistent Stuss statt Beschluss Agrarminister tagten im schönen Göhren-Lebbin Wenn viele es mit einem gut meinen, kann das allzu leicht unerträglich werden. So wie z. B. auf der letzten Agrarministerkonferenz, auf der sich die Bundesländer mit lauter Superideen für die Lösung der Milchpreismisere gegenseitig überboten haben. Diese megavielen Entschließungs- und Änderungsvorschläge hat dann natürlich aber keiner mehr lesen können (auch nicht diese Redaktion), so dass am Ende statt Beschluss eben nur Stuss produziert werden konnte. Es war aber auch wieder mal sehr durchsichtig, was da in Meck-Pomm abging, getreu dem alten Politikermotto ‚immer groß posaunen, aber tunlichst nicht agieren‘. Der Markt wird sich ja ohnehin regulieren, man muss nur die Zeit bis dahin aussitzen. Ihre üppigen Bezüge erleichtern unseren Obervorderen die Wartezeit, weiß Roland Soßna. gehend unbehauchten deutschen Agrarpolitiker. Ein Rezept, jetzt namens „freiwillige Maßnahmen zur Mengenbegrenzung“, mit dem man scheinbar nicht nur die deutschen, sondern auch die europäischen und vielleicht sogar die weltweiten aus der Volatilität von Mengen und Marktpreisen herrührenden Erlösverwerfungen in den Griff bekommen will. Die deutsche Politik, aber auch weite Kreise der Milcherzeuger, haben wieder einmal nicht aus der gar nicht so weit zurückliegenden Vergangenheit gelernt. Wenn die Quote schon seit ihrer Einsetzung im Jahr 1984 niemals gut, sondern allenfalls suboptimal und am Ende gar nicht mehr funktioniert hat, wie sollen dann auf einmal freiwillige Maßnahmen zur Mengenbegrenzung wirken? Wenn es noch nicht einmal eine Sanktionsregelung über eine Superabgabe gibt und geben wird – ein Instrument, über dessen (eher nie vorhandene) Zielführung man trefflich streiten kann? Wenn nun plötzlich die Rede davon ist, dass die Milchlieferanten mit den Molkereien Verträge schließen sollen, in denen Laufzeit, Menge und Kaufpreis vorab festgeschrieben sind, mag dies in den Ohren der Landwirte gut klingen. So ähnlich wie eine staatliche Aufforderung, Konsortien oder Kartelle gegen „die da oben im Handel“ zu bilden. Der Kardinaldenkfehler ist dabei aber gerade, dass die Absatzmittler nicht in das schöne neue Modell eines freiwillig gesteuerten Marktes einbezogen werden. In der Folge werden sich die Einkäufer der Ladenketten auch recht wenig um irgendwelche Absprachen zwischen Milchkäufern und -erzeugern scheren, sondern ihre Preisangebote weiterhin rein nach der Marktlage ausrichten. In einem europaweit offenen Markt, der noch dazu dem Weltmarkt voll exponiert ist, ist es kein Problem, sich Ware oder auch nur bestimmte Warenpartien zu anderen als von deutschen oder doch regionalen Kartellen geforderten Preisen zu beschaffen und dies an den Verbraucher weiter zu geben. Ähnliches gilt natürlich auch für den Mopro-Einkauf in Drittländern. Glaubt irgendwer, dass sich diejenigen, die z. B. in Algerien die Pulvertender ausschreiben, um die Ideen deutscher Landwirtschaftsminister für eine brancheneigene Vorgabe von Preisen und Mengen kümmern werden? Überhaupt: Wie passt es zusammen, auf der einen Seite einem Freihandelsabkommen mit Neuseeland oder den USA das Wort zu reden und auf der anderen Seite eine einseitige Mengenbegrenzung in Deutschland und Europa zu fordern? Es ist wahr, dass die Marktbeteiligten selbst in der Pflicht stehen, marktgerecht zu agieren, diese Binsenweisheit ist wohl mit das Einzige, was man von der Länderagrarministerkonferenz mitnehmen kann. Um marktgerechtes Handeln zu fördern, müssten aber staatliche finanzielle Krisenhilfen komplett gestrichen werden, sagen manche Analysten. Denn jede solche Maßnahme verzerrt die Marktsignale und verlängert Krisen eher, als sie zu bewältigen. Dies kann nur ein in angemessener Relation stehendes Spiel von Angebot und Nachfrage leisten. Die Politik wäre gut beraten, nicht in den Markt hinein zu pfuschen, sondern sich vielmehr auf eine zielführende Gestaltung der Rahmenbedingungen, hier z. B. im fiskalischen Bereich, zu konzentrieren. Vielleicht wären die Krisen dann für Erzeuger, die Rücklagen bilden können, gar nicht so schwer zu ertragen, zumal sie womöglich deutlich weniger lang dauern würden, fragt sich Roland Soßna.


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