mi-Meinung: - Kommentar: Das Sozialprinzip gilt nicht für den Milchpreis - Klartext: In der Kantine

molkerei-industrie_11_2016

mi | mi-Meinung REDAKTION Bundesagrarminister Chrstian Schmidt blieb sich im Oktober in Berlin in gewohnter Politikermanier bei seiner Festrede vor der Mitgliederversammlung des Michindustrie-Verbandes (MIV) treu. Anders ausgedrückt: Schmidt bestätigte, dass die Politik im Prinzip unbelehrbar ist. Schmidt forderte etwas, das beim unreflektierten Zuhören zunächst gut ‘rüberkommt, auf den zweiten Blick aber wie nur allzu oft auf nichts anderes als einseitige Belastung hinausläuft. Über neugefasste Milchlieferverträge (oder gar über eine Branchenorganisation, vgl. dazu den Kommentar in der letzten Ausgabe) soll zu einer besseren Risikoverteilung zwischen Milcherzeugung und -verarbeitung gefunden werden, so Schmidt vor den Milchwirtschaftlern. So sollen also die, „die in der Kette vermeintlich am längeren Hebel sitzen und ungerech- 4 11 2016 | moproweb.de Das Sozialprinzip gilt nicht für den Milchpreis Agrarminister Schmidt voll auf dem falschen Kurs In der Kantine Wer viel leistet, muss auch besonders kräftig und gut essen! Die journalistische Tätigkeit bringt einen nicht nur an entlegene Orte, sondern hin und wieder in die Schaltzentralen der Macht. Nur in den Deutschen Bundestag brachte es diese Redaktion bisher noch nicht. Tatsächlich ist dies auch im Oktober nicht geglückt, aber wir konnten uns im Umfeld einer Tagung zumindest bis in die Bundestagskantine vorarbeiten. Die Essensausgabe wird dort nach dem Motto gemanagt, dass die Besten der Besten, die sich für uns so aufopfernd im Parlament stark machen, (neben guten Schreibgeräten) auch eine kräftige Verpflegung verdienen. Wir konnten uns von der Qualität der angebotenen Speisen und Getränke gebührend überzeugen und kehrten mit der befriedigenden Gewissheit zurück nach Hause, dass sich Einsatz und Leistung immer noch lohnen, sofern man nur in der Politik tätig ist, berichtet Roland Soßna. terweise alles Negative auf ihre Lieferanten abwälzen“, zur Verantwortung gerufen werden. Das wohlfeile Sozialprinzip, seit Jahrzehnten von so ziemlich allen Politikern als Totschlagargument missbraucht, soll ganz simpel auch für die Geschäftsbeziehungen zwischen Erzeuger und Milchkäufer gelten. Unterschlagen oder vergessen wird dabei, dass sich gerade auch die Milcherzeuger in einem ökonomischen Umfeld bewegen und keineswegs so ohnmächtig sind, wie sie sich gern selbst darstellen. Kann Gerechtigkeitsdenken angesichts des enorm hohen Anteils des Rohstoffes Milch an den Gesamtkosten eines Milchverarbeiters zielführend sein? Realitätsfern ist es allemal. Zu fragen ist an erster Stelle, wer denn Marktkrisen verursacht. Es sind ganz bestimmt nicht die Molkereien, sondern immer die Milcherzeuger, die bei guten Milchpreisen ganz natürlich (und auch verständlich) ihre Produktion ausdehnen, so lange bis der Markt kollabiert. Mit welchem Argument sollte also ein Milchkäufer für ein von anderen verursachtes Mengenproblem ins Risiko treten, wenn er doch nur gute Erlöse an seine Lieferanten weiterreicht? Bei Genossenschaften ist das fast völlige Weitergeben des Gewinns ohnehin Unternehmenszweck. Risikoabsicherung gegen durch Überschuss verursachte Erlösprobleme ist zuvorderst Sache jedes einzelnen in der Kette wirtschaftlich Beteiligten. Und ob es gegen ein globales Überschussproblem, mit dem wir es in der gerade auslaufenden Milchkrise zu tun hatten, überhaupt eine Absicherung geben kann, bleibt dahingestellt. Wenn es Schmidt mit Rückendeckung durch die zuweilen der Realität fernen Bauernverbände tatsächlich gelingt, die Vertragsfreiheit in der Form auszuhebeln, dass rohstoffseitige Risiken auch von Molkereien getragen werden müssen, wird den Milcherzeugern ein Bärendienst erwiesen. Denn, es soll hier wiederholt werden, bei einem ca. 80%igen Anteil des Rohstoffes an den Gesamtkosten einer Molkerei, gibt es keine andere Wahl, als bei der Auszahlung anzusetzen, wenn der Milchkäufer Risiken aus den Märkten übernehmen soll. Das bedeutet, dass die Auszahlung bei einer Risikoaufteilung längst nicht die vom Markt vorgegeben mögliche Höhe erreichen kann, eben weil man aus kaufmännischer Sicht Sicherheitspolster benötigt. Dass eine strategische Absatzplanung, wie Schmidt sie von den Milchverwertern fordert, die Probleme lösen und ggf. sogar eine neue Milchkrise verhindern kann, glaubt kaum jemand in der Praxis. Die unerwartet eingetretene Kaufzurückhaltung der Chinesen oder auch der erdölfördenden Staaten hat gezeigt, wie schnell Märkte sich drehen können. Und das russische Embargo hat gezeigt, dass die Politik eine auch noch so sorgfältige Planung mit einem Strich zur Makulatur machen kann. Es bleibt wie es ist, kein Politiker und erst recht kein Sozialprinzip im Verhältnis zwischen Erzeugung und Verarbeitung kann die Marktwirtschaft austricksen. Das Soziale muss dort bleiben, wo es hingehört, es hat in der realen Wirtschaft weder Sinn noch Berechtigung, denkt Roland Soßna.


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