5 2020 | moproweb.de 19
vorgenommene Klassifizierungslogiken zu überarbeiten und insbesondere
hieraus abgeleitete Maßnahmen und Sicherheitsbestände
kurzfristig auf den Prüfstand zu stellen.
Die klassische ABC-Analyse sollte nach der Verbrauchsmenge
überarbeitet werden und um eine zusätzliche sinnvolle Dimension
erweitert werden. Bei der vielfach angewandten Dimension der
Vergangenheitsverbräuche sollte eine Überprüfung stattfinden,
ob vergangene Verbrauchsmengen noch zuverlässig herangezogen
werden können oder ob die Klassifizierung besser auf Planverbrauchsmengen
umgestellt wird. Dies ist notwendig, wenn sich
die Nachfrage nicht nur prozentual, sondern auch ungleichmäßig
über das Sortiment verändert. Eine zweite XYZ-Dimension kann
beispielsweise nach Lieferfähigkeit der Materialien und entsprechenden
Lieferanten geclustert werden, wobei ein X-Artikel sich
durch eine hohe Lieferfähigkeit und ein Z-Artikel sich andererseits
durch eine niedrige Lieferfähigkeit auszeichnet. Die Lieferfähigkeit
sollte hierbei einmal die Termintreue sowie die Mengentreue
berücksichtigen. Im Ergebnis der zweidimensionalen Bestandsklassifizierung
ergeben sich neun Kategorien, für welche sich auf die
Krisensituation angepasste, unterschiedliche Bestandsstrategien
und Maßnahmen sowie entsprechende Sicherheitsbestände ableiten
lassen. Im Folgenden sind beispielhaft für drei der neun Kategorien
Maßnahmen beschrieben:
AX-Material mit hohem Verbrauch und hoher Lieferfähigkeit:
Materialien in der AX-Kategorie mit hohem Verbrauch und
einer hohen Bedeutung für die Produktion der zugehörigen Fertigwaren
sollten auch bei hoher Lieferfähigkeit über moderate
Sicherheitsbestände abgedeckt werden. Allgemein erscheinen Materialien
dieser Kategorie vorerst wenig kritisch, sodass keine unmittelbaren
Sofortnahmen notwendig sein müssen. Wichtig ist es
jedoch, die aktuell hohe Lieferfähigkeit kontinuierlich zu beobachten
und bei kleinsten Unregelmäßigkeiten auf eine Verschiebung in
die AY- oder AZ-Kategorie gefasst zu sein.
AZ-Material mit hohem Verbrauch und niedriger Lieferfähigkeit:
Materialien in der AZ-Kategorie mit hohem Verbrauch und einer
hohen Bedeutung für die Produktion der zugehörigen Fertigwaren
bekommen in Kombination mit einer niedrigen Lieferfähigkeit eine
besondere Aufmerksamkeit. Bei diesen Materialien sollten die Sicherheitsbestände
unmittelbar erhöht werden, um eine ausreichende
Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Weitere Sofortmaßnahmen
sind die Identifikation von alternativen Lieferquellen und
im Zweifel eine umfassende Lieferantenmarktanalyse, um weitere
Bezugsquellen aufschalten zu können.
CZ-Material mit niedrigem Verbrauch und niedriger Lieferfähigkeit:
Bei Materialien in der CZ-Kategorie mit niedrigem Verbrauch
und niedriger Lieferfähigkeit ist es wichtig vorab zu differenzieren,
ob der niedrige Verbrauch auch mit einer geringen
Bedeutung für die Produktion der aktuell notwendigen Fertigwaren
einhergeht oder ob das betrachtete Material mit einem
geringen Anteil in zahlreichen Fertigwaren von aktuell ggf. sogar
steigender Nachfrage gebraucht wird. In diesem Fall werden die
Sicherheitsbestände systematisch erhöht und parallel wiederum
alternative Bezugsquellen identifiziert und aufgeschaltet, um die
Versorgungsicherheit bestmöglich sicherzustellen.
Um das Bestandsmanagement der RHB-Materialien schnell und
zuverlässig auf neue Erfordernisse einzustellen, ist neben den beschriebenen
Methodiken und Maßnahmen ebenso eine intensive
Kommunikation zwischen dem Einkauf und weiteren Abteilungen
(insb. Vertrieb, Produktionsplanung und Logistik) notwendig, wozu
das nun wöchentlich durchgeführte S&OP Meeting (siehe Punkt 1)
gut genutzt werden kann.
Produktionslosgrößen
kontinuierlich kalibrieren
Ein gut aufgesetztes Losgrößenmodell ist typischerweise auf Optimierung
der Gesamtkosten ausgelegt und berücksichtigt hierbei
alle operativen Restriktionen. In einer Krisensituation mit sich
ständig ändernden Einflüssen müssen alle Einflussfaktoren dynamisch
angepasst werden.
Rüstkosten und Lagerkosten: Im kostenoptimierten Losgrößenmodell
ergeben sich die Rüstkosten vereinfacht aus den
Rüstzeiten in Produktion und Qualitätssicherung (QS) sowie rüstabhängigen
Materialverlusten. Die Losgrößenbestände ergeben in
Verbindung mit Bewegungs- und Bestandkosten die Lagerkosten
des Losgrößenmodells. Bei hohen Produktionslosgrößen reduzieren
sich demnach aufgrund weniger Rüstvorgänge die Rüstkosten,
wohingegen die Lagerkosten steigen und umgekehrt. In einer
Krisensituation sollten zur reinen Kostenperspektive weitere Dimensionen
im Kontext der Krise berücksichtigt werden, wie beispielsweise:
• Produktionskapazitäten: Bei einer Erhöhung der Produktionslosgrößen
sinken nicht nur die Rüstkosten, sondern steigen
auch die Produktionskapazitäten einer Produktionsanlage. Dies
kann in einer Situation mit erhöhter Nachfrage der Sortimente
ausgenutzt werden. Durch die Umstellung auf höhere Produktionslosgrößen
von verstärkt nachgefragten Artikeln können
wertvolle Anlagenzeiten durch reduzierte Rüstvorgänge
freigeräumt und genutzt werden, um in Summe eine erhöhte
Ausbringungsmenge über die Anlage zu erzielen. Die erhöhten
Lagerkosten durch höhere Losgrößenbestände können hierbei
bewusst in Kauf genommen werden, auch wenn diese die reduzierten
Rüstkosten überwiegen sollten. Für diesen Fall kann das
Losgrößenmodell auch um Deckungsbeiträge der zusätzlichen
Ausbringungsmengen aufgrund freier Produktionskapazitäten
erweitert werden.
• Lagerkapazitäten: Sollten Lagerkapazitäten in einer Krisensituation
ein limitierender Faktor sein, z. B. aufgrund eines veränderten
Bestandsmanagements mit höheren Sicherheitsbeständen
und nicht zugänglichen externen Lagerungsmöglichkeiten,
kann die Losgröße außerhalb des Kostenoptimums wiederum
zugunsten der Lagerkapazität reduziert werden. Dieses würde
kleinere Losgrößen und eine erhöhte Flexibilität in der Produktion
in Bezug auf das produzierte Sortiment bedeuten. Auch
dieser Fall kann im Losgrößenmodell rechnerisch über künstlich,
proportional „verteuerte“ Lagerkostensätze integriert werden.
Betrieb in klar
abgetrennte Bereiche strukturieren
In der Corona-Krise kann bei nicht nachvollziehbaren Kontaktwegen
bereits ein infizierter Mitarbeiter zu längeren Werksschließungen
führen. Zur Begrenzung dieses mitunter existenziellen Risikos
ist es ratsam, den Betrieb in klar abgetrennte Bereiche zu unterteilen,
so dass im Falle eines infizierten oder mutmaßlich infizierten
Mitarbeiters alle Kontaktpersonen klar identifiziert werden
/moproweb.de
/moproweb.de
/moproweb.de