4 2 2021 | moproweb.de
Zu viel Milch?
Ja, aber das Augenmaß muss erhalten bleiben
mi | mi-Meinung
Der traditionell im
Umfeld der Grünen
Woche in Berlin
vom Milchindustrie
Verband (MIV), diesmal digital
organisierte Milchpolitische
Frühschoppen gab Mitte Januar
reichlich Stoff zum Nachdenken.
Ganz offensichtlich nimmt
die Branche den öffentlichen,
oder besser veröffentlichten
Druck zur Veränderung wahr.
Auffallend in der Diskussion auf
dieser Veranstaltung war, dass
die Grenzen für weiteres Wachstum
der Milcherzeugung irgendwo
erreicht scheinen – und die
Milchwirtschaft dies auch weitgehend
zu akzeptieren scheint.
Tatsächlich stieg die Milchmenge
in Deutschland in 2020 ja auch
nur noch um 0,3 %. Das bedeutet
keineswegs, dass es in Phasen
höherer Milchpreise nicht wieder
zu Wachstumsausschlägen kommen
wird, diese werden sich aller
Voraussicht nach aber in Maßen
halten, denn es gibt ja eine ganze
Reihe limitierender Faktoren wie
z. B. die DüngeV zu beachten.
Auf dem Event kam zum Ausdruck,
dass die Milcherzeugung
in einigen Regionen unverträglich
intensiv ist. Diese Gegenden, von
denen es auch in Deutschland
eine Handvoll gibt, leiden z. B.
unter Nitratbelastung und weiteren
Umwelt/Ressourcenbeeinträchtigungen.
Noch ist die Lage
nicht so kritisch wie in den Niederlanden,
wo der Staat schon
vor einigen Jahren dem Tierbesatz
je Flächeneinheit einen Riegel
vorgeschoben hat. Aber es
wäre auch nicht anzuraten, es
in Deutschland so weit kommen
zu lassen, vor allem jetzt, da die
Branchenkommunikation an den
Start geht und das Image der
Milchwirtschaft beim Verbraucher
verbessern soll. Was für einzelne
Regionen gilt, hat natürlich
auch Relevanz für einzelne Erzeugerhöfe.
Auch hier gibt es einige,
die zu viele Kühe aneinander packen
und nicht gerade als Muster
der Nachhaltigkeit durchgehen.
Es gäbe also Raum für ein gewisses,
in der Summe moderates Zurückfahren
der Milchproduktion.
Weniger Milch heißt weniger
Absatzdruck. Idealerweise würde
in etwa so viel Rohstoff erzeugt
wie im Inland oder gerne auch
in der EU verbraucht wird. Dies
würde den Molkereien eine ganz
andere Position gegenüber dem
Handel verschaffen und Buttereinkaufspreisabstürze,
wie
jüngst von Aldi ausgelöst, wären
undenkbar (allerdings haben auch
die Molkereien im 100%-Selbstversorgerland
Kanada keine
Chance, Walmart & Co. die Preise
zu diktieren). Wir leben aber
in keiner idealen Welt, sondern
bauen auf gewachsenen Strukturen
auf. Diese bedingen unter
anderem auch, dass wir/die EU
Milch exportieren müssen. Der
Gedanke lässt sich weiterspinnen:
es gibt auf der Welt viele Länder
oder Regionen, die nicht genug
Milch haben und/oder erzeugen
können. Die Versorgung der dortigen
Verbraucher mit essentiellen
Nährstoffen via Milch oder
die Lieferung von Spezialitäten
ins Ausland ist nichts Unehrenhaftes,
was immer NGOs oder
Politiker an Ideologie dazu anzumerken
haben. Mit Mühe und
über Jahre aufgebaute Marktpositionen,
sei es im Verbrauchermarkt,
sei als Commodity- und
Ingredientszulieferer dürfen im
Interesse der Unternehmen und
der Milcherzeuger, aber auch der
Menschen im ländlichen Raum
und der allgemeinen Wohlfahrt
keinesfalls aufgegeben werden.
Schon von daher kann eine allfällige
Rückführung der Milcherzeugung
nicht allzu groß ausfallen.
Was möglicherweise automatisch
zum Ausstieg von Erzeugern
aus der Milchproduktion führen
könnte, ist der sich abzeichnende
Bann für die Anbindehaltung.
Erste Molkereien im Süden der
Republik haben – längst bevor
der Staat aktiv wird – damit begonnen,
die betreffenden Höfe
entweder von Bonuszahlungen
auszuschließen, oder sie sogar mit
Preiskürzungen zu konfrontieren.
Der Anfang ist also gemacht, man
kann davon ausgehen, dass diese
Beispiele schnell Nachahmer finden
werden. Ganz ähnlich wie die
Pioniere der „ohne Gentechnik“
Milch auch nicht lange alleine geblieben
sind. Und ganz ehrlich, in
einer Zeit, in der die Verbraucher
offenbar Tierwohl und Ethik wie
selbstverständlich einfordern
(ohne aber viel dafür bezahlen
zu wollen), in der die Konkurrenz
der pflanzlichen Alternativen und
NGOs den Finger auf empfindliche
Stellen der Nutztierhaltung legen
und tierische Erzeugnisse diskriminieren,
in eine solche Zeit passt
die Anbindehaltung einfach nicht
mehr, denkt Roland Soßna.
ROLAND SOSSNA
REDAKTION
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