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10 2021 | moproweb.de 17
Wer wird geschützt?
In den Schutzbereich fallen Lieferanten,
deren Jahresumsatz maximal 350 Mio. €
beträgt, die an Käufer verkaufen, die einen
Jahresumsatz von mehr als 2 Mio. € haben,
sofern ihr Jahresumsatz höher ist als der
des Lieferanten, wobei das Gesetz fünf
Pauschalisierungsstufen festlegt. Eine Sonderregel
gilt für Unternehmen der Molkerei,
Fleisch- sowie Obstwirtschaft, wo der
Schutzbereich auf bis zu 4 Mrd. € Inlandsumsatz
angehoben wurde, wenn das Jahresverkaufsvolumen
weniger als 20 % des
Gesamtumsatzes des Käufers ausmacht. Es
besteht eine gesetzliche Auskunftspflicht
zum Jahresumsatz. Das Gesetz gilt somit
für das Vertragsverhältnis zwischen Landwirt
und Molkerei einerseits, und für das
Verhältnis zwischen Molkerei und Handel
andererseits, wenn die entsprechenden
Umsatzkategorien erfüllt sind. Die Sonderregelung
gilt zunächst bis zum 1. Mai 2025.
Eine eventuelle Verlängerung unterliegt
einer Evaluierung. Die Regelungen gelten
immer dann, wenn mindestens einer der
Geschäftspartner seinen Sitz in der EU hat.
Bis wann müssen Verträge
angepasst werden?
Die Änderungen des AgrarOLkG sind am 9.
Juni 2021 in Kraft getreten. Liefervereinbarungen,
die vor diesem Datum geschlossen
wurden, sind bis zum 8. Juni 2022 anzupassen.
Verträge, die nach dem 9. Juni 2021 geschlossen
werden, müssen den neuen Vorgaben
entsprechen. Verstößt ein Vertrag
gegen ein geregeltes Verbot, so ist die einzelne
Klausel unwirksam, der Vertrag bleibt
aber im Übrigen wirksam. Das Gesetz sieht
bei Verstößen ein Bußgeld von bis zu 750
000 € vor. Für Beschwerden (auch anonym)
ist die BLE zuständig. Ihre Entscheidungen
sind einvernehmlich mit dem Bundeskartellamt
zu treffen und auf ihrer Website unter
Nennung des Namens des Käufers zu veröffentlichen.
Die BLE kann auch von Amts
wegen tätig werden. Die Parteien können
alternative Streitbeilegungsverfahren einschließlich
der Anrufung einer Ombudsstelle
vereinbaren. Diese muss noch eingerichtet
werden. Die Beweislast für Beschwerden
liegt beim Lieferanten. Eine Umkehr der Beweislast
hat leider keinen Eingang ins Gesetz
gefunden.
Ausblick
Seit Veröffentlichung des Gesetzes tauchen
viele Fragen zur praktischen Umsetzung
auf. Schon die Einordnung von Waren in verderbliche
und unverderbliche Lebensmittel
kann sich im Einzelfall als schwierig erweisen.
Der BLE wurde die Befugnis übertragen,
Leitlinien zur Einstufung von Lebensmitteln
als verderblich zu veröffentlichen. Ob diese
tatsächlich kommen werden, ist ungewiss.
Umfasst ein Kaufvertrag verderbliche und
nicht verderbliche Lebensmittel, so können
theoretisch zwei unterschiedliche Zahlungsziele
vereinbart werden. Dies kann sich aber
in der Praxis als nicht praktikabel erweisen.
Alle Molkereien sollten somit schleunigst
prüfen, ob sie im Verhältnis zu ihren Milchlieferanten
sowie im Verhältnis zu ihren
Abnehmern in die entsprechenden Umsatzklassen
fallen. Ist dies der Fall, dann
ist das AgrarOLkG auf sie anwendbar. Es
sollte dann genau geprüft werden, ob die
einzelnen Klauseln wirksam sind. Als Beispiel
wären Vereinbarungen zur einseitigen
Preisbildung („Abschlagszahlung“) und Zahlungsziele
(„Nachverrechnungsklauseln“) zu
nennen, die genauer unter die Lupe genommen
werden sollten.
Auch die EU-weite Umsetzung der Richtlinie
lässt noch auf sich warten. Zwölf Mitgliedstaaten
haben die Umsetzungsfrist des 1.
Mai 2021 versäumt: Österreich, Belgien,
Zypern, Tschechien, Estland, Frankreich,
Italien, Polen, Portugal, Rumänien, Slowenien
und Spanien. Die EU-Kommission hat
daher ein Vertragsverletzungsverfahren
eingeleitet. Doch selbst wenn die Richtlinie
noch nicht überall umgesetzt wird, ist sie ab
1. November 2021 in allen Mitgliedstaaten
unmittelbar anwendbar, so dass Schutzbedürftige
sich direkt auf sie berufen können.
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