Stefan Lander, Vice President Consumer
Goods Group Sales & Marketing bei
Omya International AG: Die Anreicherung
von Milch ist noch eine gute Möglichkeit
für Hersteller, sich erfolgreich
in einem neuen, ungesättigten Markt
zu positionieren (Foto: Omya)
mi: Für welche Zielgruppe sehen Sie die
größten Vorteile?
SL: Calciumangereicherte Produkte bieten
einen Nutzen für alle, die einen zusätzlichen
Bedarf haben. Hier reden wir beispielsweise
von Teenagern, Schwangeren, Frauen
in den Wechseljahren, Senioren sowie von
Menschen mit reduzierter Calciumabsorption,
beispielsweise durch eine bestimmte
Medikation. Funktionelle Lebensmittel mit
einem Calcium-Plus ermöglichen es, den
benötigten Bedarf zu erreichen, ohne zusätzliche
Portionen verzehren zu müssen.
mi: Gibt es Mengenbegrenzungen für
den Einsatz von Calciumcarbonat?
SL: Ein Richtwert bei der Calciumanreicherung
ist ein Zusatz von 30 Prozent der empfohlenen
Tagesmenge pro Portionsgröße.
Das sind 600 mg Calciumcarbonat, was
240 mg purem Calcium entspricht. Dieser
Gehalt erlaubt die nährwertbezogene Angabe
„hoher Calcium-Gehalt“. Insbesondere
wenn wir über angereicherte Milchprodukte
sprechen, addiert sich ja noch das
natürlich vorkommende Calcium im Lebensmittel
dazu. Im Zuge einer ausgewogenen
Ernährung, die ja auch noch andere Calciumquellen
enthält, ergibt sich eine solide
Grundlage für eine gute Ernährung.
Die Grenze für die tägliche Calciumzufuhr
liegt bei 2.500 mg Calcium pro Tag1 – bei
Zielgruppen mit höherem Bedarf ist in der
Regel eine Aufnahme von zirka 1.200 mg angestrebt.
Ein moderater Verzehr von funktionellen
sowie Grundlebensmitteln stellt
kein Problem dar. Angereicherte Produkte
sollen es ja eben ermöglichen, die individuell
benötigte Tagesmenge an Calcium zu erreichen,
ohne mehr Portionen und damit auch
Kalorien zu sich nehmen zu müssen.
mi: Beeinträchtigt die Zugabe von Calcium
das Geschmacksprofil von Milch?
SL: Unser Calciumcarbonat hat einen sehr
hohen Gehalt an elementarem Calcium.
Geringe Mengen reichen aus, um eine signifikante
Anreicherung zu erzielen. Deshalb
wird das Geschmacksprofil der Milch
nicht beeinflusst. Allerdings ist eine Sedimentation
nicht vermeidbar, da Calciumcarbonat
nicht löslich ist. Mit unserem
Wissens- und Erfahrungsschatz können wir
die Sedimentation auf ein absolutes Minimum
reduzieren. Der Schlüssel hierzu ist,
die Partikelgröße perfekt auf die jeweilige
Anwendung abzustimmen. Wir empfehlen
zusätzlich den Einsatz von Stabilisierungssystemen,
um zu garantieren, dass sich
kein Calciumcarbonat am Boden der Verpackung
absetzt. Werden keine Stabilisatoren
verwendet, sollte auf der Verpackung darauf
hingewiesen werden, das Produkt vor
dem Verzehr zu schütteln.
In Bezug auf sensorische Eigenschaften
bietet Calciumcarbonat übrigens noch
einen entscheidenden Vorteil: in seiner
Funktion als Weißpigment verstärkt es die
Opazität von Milch. Gerade bei fettreduzierter
Milch ergibt sich so eine bessere,
deckendere Optik.
mi: Sie erwähnten die Verwendung von
Stabilisatoren. Ich frage mich, ob es in
der Clean-Label-Ära nicht widersprüchlich
ist, dass Milch als ein sehr natürliches
und ursprüngliches Lebensmittel
Zusatzstoffe enthält. Wird sich das
nicht auf die Verbraucherakzeptanz
auswirken?
1 European Commission Scientific Committee on Food
SL: Auch das ist eine Frage der Zielgruppe.
Wir wissen, dass insbesondere gesundheitsbewusste
Menschen Etiketten kritisch lesen
– deshalb ist der Einsatz von natürlichen
Inhaltsstoffen wichtig. Da unser Distributionsportfolio
eine große Auswahl natürlicher
Ingredients umfasst, stellt das für unsere
Konzepte kein Problem dar. Am Ende ist es
natürlich eine individuelle Entscheidung des
Verbrauchers, der zwischen der eigenen
Ernährungsphilosophie und dem Mehrwert
eines solchen Produkts abwägt. Ist eine Extraportion
Calcium gefragt, beispielsweise
aufgrund einer Schwangerschaft, sind zusätzliche
Inhaltsstoffe vermutlich auch in
einem so ursprünglichen Lebensmittel wie
Milch für viele Verbraucher hinnehmbar.
Großes Potenzial sehe ich im Übrigen in
der Vitaminanreicherung von Milch. Hier
geht es vor allem um das Thema Osteoporose
– eine echte Herausforderung in
der immer älter werdenden Gesellschaft.
Vitamin D3 und K2 verbessern erwiesenermaßen
die Absorption von Calcium und
die Einlagerung in die Knochen. Prävention
anstatt Heilung ist das Stichwort – immer
mehr Menschen sind sich über die Wechselwirkung
verschiedener Nährstoffe im Klaren
und suchen bewusst nach All-Round-
Lösungen. Meiner Meinung nach greifen
Verbraucher lieber zu funktionellen Lebensmitteln
als zu Tabletten oder Kapseln.
mi: Bezieht sich die Anreicherung nur
auf Milch selbst oder auch auf weiterverarbeitete
Milchprodukte wie Käse
und Joghurt?
SL: Grundsätzlich ist jede Anwendung mit
neutralem pH-Wert für die Calciumanreicherung
denkbar. Da sich das Calciumcarbonat
im sauren Milieu auflöst und so CO2
freisetzt, eignen sich Applikationen mit
niedrigem pH-Wert nicht wirklich. Aber Ausnahmen
bestätigen bekanntlich die Regel,
denn in manchen Fällen ist genau diese Reaktion
gefragt: Die CO2-Freisetzung macht
Ca2+ Ionen verfügbar. Diese wiederum formieren
Calciumbrücken in der Lebensmittelmatrix
und verbessern so die Gelierung
von Hydrokolloiden und anderen Calciumsensitiven
Komponenten. Unsere Experten
beraten interessierte Hersteller umfassend
zu den Möglichkeiten, die die Calciumanreicherung
im Mopro-Segment bietet.
7 2017 | moproweb.de 45