Mit einer gewissen Spannung war
der Auftritt des Präsidenten
des Bundeskartellamts, Andreas
Mundt, auf der Jahrestagung des Milchindustrie
Verbands (MIV) erwartet worden. Dies
jedenfalls durfte man aus dem außerordentlich
guten Besuch dieser Veranstaltung Ende
Oktober in Augsburg folgern. Wer allerdings
naiverweise angenommen haben sollte, dass
das Amt zwischenzeitlich eine marktwirtschaftlichere,
realitätskonforme Sicht eingenommen
hat, der wurde freilich enttäuscht.
4 11 2017 | moproweb.de
Der Schwarze Peter
ist bereits vergeben
Milchkrisen lassen sich von Bauernkartellen
nicht verhindern
Mundts allzu bekannten Argumente, warum
seine Behörde ausgerechnet in den
Milch-Rohstoffbeschaffungsmarkt eingreifen
müsse, an dieser Stelle aufzuzählen, ist
müßig. Sie sind sämtlich längst durch entsprechende
Stellungnahmen der relevanten
Spitzenverbände von Milcherzeugern, Molkereigenossenschaften
einen bestimmten Durchschnitt plus einen
Betrag X vermittelt werden kann. Molkereien
berichten, dass bei ihnen Erzeuger anklopfen
und durchaus auch nach Verträgen mit zehnjähriger
Auch wenn Mundt betonte, dass er keiner
Weisung unterliege, ist doch anzunehmen,
dass politische Einflussnahme hinter dem
Agieren des Kartellamts steht. Offenbar sind
es die Parteien, zumindest die, die vorgeben,
ein offenes Ohr für agrarische Belange
zu haben, leid, dass eine kleine, dafür umso
lautstärkere Gruppe von Milcherzeugern permanent
einer Quote 2.0 verlangt – und jede Marktverwerfung
aggressive Protestmaßnahmen nimmt. Die
Endlosschleifen in den zahlreichen runden Tischen
entfaltet. Nun ist die Politik mürbe und bereit,
den Milcherzeugern am Ende den Spielraum
für Mengenabsprachen und Kartelle zu geben,
den bestimmte Gruppen so vehement einfordern.
Sollte das dann am Ende (wie angesichts
der Einbettung der dt. Milchwirtschaft in den
weltweiten Markt zu erwarten ist) dennoch
keine Milchkrisen verhindern können, steht der
Alleinschuldige bereits im Drehbuch, nämlich
die Milchindustrie, denkt Roland Soßna.
Stete Sprüche höhlen das Gehirn
Neue Verträge, aber bitte mit Preisabschlag!
und Milchverarbeitern
widerlegt. Mundt zeigte sich in seinem
Auftritt auf der MIV-Tagung, wenn man so
will in der „Höhle des Löwen“, vielmehr erneut
beratungsresistent. So mancher Zuhörer
dürfte wohl damit gerechnet haben, dass
Mundt angesichts der Faktenlage zumindest
nicht mehr von einem angeblich schwachen
Wettbewerb um den Rohstoff Milch oder der
Aufbürdung des gesamten Risikos einzig auf
die Erzeuger sprechen würde.
Stattdessen favorisierte Mundt erneut eine
Aufweichung der Abnahme- und Andienungspflicht
und eine Verkürzung der Kündigungsfristen
von Milchlieferverträgen. Dies geht
allerdings völlig an der Realität vorbei. Denn
die Bauern fordern mehrheitlich Sicherheit
von ihren Milchkäufern. Dies hat z. B. auch den
Hintergrund, dass Banken bei der Kreditvergabe
Sicherheiten verlangen, was nach Lage der
Dinge eben auch über lang laufende Verträge
und eine Indexierung der Milchpreise auf
Das Konzept des Marsches durch die
Institutionen funktioniert. Das hat
man bei den 68ern gesehen, die
ausgehend von einem chaotischen Haufen
heute den ganzen Staat in der Hand haben
und ihn, wie könnte es bei geborenen Chaoten
anders sein, im Dauerchaos halten.
Ganz ähnlich hat es der Chaostrupp BDM
gemacht, wenn er auch nicht so lange gebraucht
hat wie die 68er. 1998 gegründet
musste der Verband nur 19 Jahre ackern,
protestieren und Sprüche klopfen, bis er
zwar nicht bei ökonomisch Behauchten, wohl
aber bei Agrarpolitikern Gehör fand. Nicht
unbedingt mit der Forderung nach einer
neuen Quote, aber doch mit der nach neuen
Lieferverträgen, die alsbald Abnahmepreise
und -mengen vorab festlegen. An sich
schreibt sich nun die MEG Milchboard diesen
Riesenerfolg zu, aber man weiß ja, dass
zwischen die und den BDM kein Blatt Papier
passt. Insofern gebührt immer noch dem älteren
Revolutionär der Ruhm, frei nach „Wer
hat’s erfunden?“.
Bindung fragen.
nach staatlicher Intervention in Form
zum Anlass für mehr oder minder
haben ganz klar eine gewisse Wirkung
Wenn kommt, was kommen soll, dann wird
die nächste Milchkrise für deutsche Erzeuger
sehr viel gravierender als die gerade
überwundene. Da niemand (außer
dem BDM) wissen kann, wie sich die Erlöse
auf mittlere Sicht entwickeln, wird man
aus kaufmännischer Vorsicht Preisabschläge
in die Kontrakte einbauen. Dann
bekommen die Landwirte eben halt noch
ein bisschen weniger. Selber schuld, meint
Roland Sossna, wer auf die falschen Propheten
hört, soll blechen.
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