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Entwarnung. Der Europaabgeordnete Albert
Deß und seine Freunde in der CDU/
CSU wollen Edeka und Rewe doch nicht
zerschlagen. Diese Aussage erfolgte aber erst,
nachdem Forderungen des Agrarausschusses im
Europaparlament, Zusammenschlüsse des LEH
zu Einkaufsgemeinschaften zu untersagen, von
Ministerin Klöckner höchstpersönlich abgelehnt
worden waren und sich auch die österreichische
Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger in
aller Form distanziert hatte. Gegen so viel Gegenwind
traut sich der nach eigener Darstellung
engagierte Streiter für die Bauerninteressen aus
der Oberpfalz offenbar doch nicht aufzumucken.
2 12 2018 | moproweb.de
Törichtes Verlangen
vs. Ökonomie
Fast wären alle Genossenschaften verboten worden!
Unendliches Wachstum?
Lactalis macht vor, wie das geht
Es soll noch Unternehmen geben, die trotz
gesättigter Märkte wachsen. Natürlich
erfolgt das i.d.R. weniger auf organische
Weise, denn das bedarf ja Ideen und Risikofreudigkeit.
Eine Alternative bietet sich über Zukäufe,
nur leider ist nicht immer etwas Passendes
zu finden und allzu oft ist nicht genug Knete
vorhanden, um sich den Wunschkandidaten einverleiben
zu können.
Bei der französischen Privatmolkerei Lactalis ist
das anders. In ihr Portfolio scheint alles und jedes
zu passen, gleich auf welchem Kontinent und
in welchem Land, der Konzern würde wohl sogar
eine Käserei auf dem Mond aufkaufen, wenn es
dort eine gäbe. Lactalis scheint eines der wenigen
Unternehmen weltweit zu sein, das über schier
unbegrenzte Finanzen verfügt und alle drei Tage
ein anderes Unternehmen schlucken kann.
Wie machen die das? Betreiben die nebenbei eine
Notenbank, waschen sie gar Geld für irgendwelche
Schurkenstaaten? Niemand wird je die Antwort
kennen, wenn Lactalis nicht Gegenstand
intensivster milchökonomischer Forschung wird.
Vielleicht gelingt es den Wirtschaftsprofessoren,
das Geheimnis dieses Unternehmens aufzudecken,
so dass am Ende auch andere Molkereien
über unerschöpfliche Geldmittel verfügen
können, hofft Roland Soßna.
ROLAND SOSSNA
REDAKTION
Inzwischen spricht Deß nur noch von einem Verbot
supranationaler Einkaufsgemeinschaften im
europäischen Handel. Aber auch das hinterlässt
einen mehr als peinlichen Eindruck. Denn eine solche
Einkaufsgemeinschaft ist im Prinzip ja nichts
anderes als eine Genossenschaft, in der sich mehrere
Unternehmer/Unternehmen zusammenschließen,
um gemeinsam ihre Marktstellung zu
stärken. Würden also Handelsgenossenschaften
für illegal erklärt, müsste dies folgerichtig auch
für Agrar- und Molkereigenossenschaften gelten,
bei denen es übrigens auch eine Reihe supranational
aufgestellter Unternehmen gibt. Was das
Ganze besonders pikant macht ist, dass Deß seine
berufliche Karriere im Jahr 1972 ausgerechnet
als Geschäftsführer einer ländlichen Genossenschaft
begonnen hat. Hat er das Wesen einer „eG“
nicht begriffen, hat er bloß nicht weit genug gedacht,
oder hat ihn sein Eifer, den Landwirten in
seinem Wahlkreis helfen zu wollen, über das Ziel
hinausgetragen?
Das ganze Hick-Hack steht unter dem Zeichen
der von Brüssel initiierten EU-Richtlinie gegen
unfaire Handelspraktiken in der Lebensmittellieferkette
(UTP). In seinem Beschluss fordert
das EU-Parlament wortwörtlich ein Verbot von
„Zusammenschlüssen zu Einzel- und Großhandelseinkaufsgemeinschaften“
sowie von „Vertragsbestimmungen
zu Umweltschutz- und Tierschutznormen,
die strenger als die einschlägigen
gesetzlichen Bestimmungen sind“. Mit diesen und
weiteren über 40 Punkten wollen die Politiker für
einen fairen Umgang der Händler mit den Erzeugern
sorgen. Dieses Motiv klingt auf den ersten
Blick durchaus vernünftig und riecht ebenso nach
„Gerechtigkeit“ wie „Soziale Marktwirtschaft“. Das
Problem bei der Schaffung solch nahezu idealer
Zustände ist wie immer die Ökonomie mit ihren
unabänderlichen Regeln. Wer in der Wirtschaft
das Übergewicht hat, der diktiert eben die ganze
Kette. Daher wird Lebensmittelhandel aufgrund
seiner Marktstellung immer Mittel und Wege finden,
seine Positionen durchzusetzen – und daran
werden keine Richtlinie und keine Verordnung
jemals etwas ändern. Trotzdem wird die Politik
nicht müde, gegen Unumstößliches anzurennen.
Die Beispiele für derartige Torheiten sind Legion.
Die Forderungen nach Schaffung des de facto
Unmöglichen werden im nun unter österreichischem
Vorsitz laufenden „Trilog“, der Abstimmung
des Richtlinieninhaltes zwischen EU-Staaten,
Parlament und Kommission, anhalten. Mit
Sicherheit werden die Regierungen und auch die
EU-Kommission törichten Vorstellungen wenig
Raum geben und eine irgendwie geartete Richtlinie
verabschieden, die ihrerseits nicht wirkliche
Änderungen an den bestehenden Verhältnissen
bewirken wird oder soll – auch dafür gibt es genug
Beispiele in der EU-Geschichte. Zum Glück
stehen in 2019 EU-Parlamentswahlen an. Vielleicht
werden dann einige allzu idealistische Eiferer
ausscheiden, denkt sich Roland Soßna.