4 5 2019 | moproweb.de
Die Unsicherheit hält an
Harter oder geregelter Brexit – was wäre wenn?
Was zu erwarten
war, ist
am 10. April
auch eingetreten:
die Staatschefs der
EU-27 haben dem Vereinigten
Königreich eine weitere Fristverlängerung
zum Aushandeln
von Austrittsvereinbarungen
eingeräumt. Erneut kann sich
Theresa May bzw. ein etwaiger
Nachfolger Zeit lassen, um
Mehrheiten im Unterhaus zu
suchen. Diese offizielle Darstellung
täuscht indes darüber hinweg,
dass die EU in den beiden
letzten Jahren mit List und Tücke
gearbeitet und die Engländer
in eine Ecke gedrängt hat,
die sie gar nicht akzeptieren
können, wenn sie auch nur im
Mindesten auf das Wohl ihres
Landes achten wollen.
Während vordergründig in
hektischer Abfolge eine Konsultation
nach der anderen
erfolgte, bis vor kurzem ein
Ratstreffen das andere jagte,
lief im Hintergrund eine
de-facto-Erpressung, mit der
sich die EU bessere Handels-
Konditionen bei den Briten
sichern wollte als sie selbst
einzuräumen bereit war. So
viel zu Fairness und der vielbeschworenen
Solidarität. Wie es
nun weiter geht? Wahrscheinlich
so wie bisher. Wann das UK
die EU verlässt? Möglicherweise
noch lange nicht.
Kommt es zum schlimmsten
Fall, einem harten Brexit,
wären die Folgen für die
mi | mi-Meinung
Wirtschaft beiderseits des
Ärmelkanals z. T. relativ hart.
Claudia Hunecke und Bernhard
Brümmer vom Thünen-Institut
bezifferten in ihrer Arbeit
„Auswirkungen des Brexits auf
Agrarhandel und Milchmarkt“
auf milchtrends.de im März den
zu erwartenden Preisaufschlag
für Import-Mopro im UK auf bis
zu 73 %. Was diese Studie nicht
berücksichtigt ist indes, dass
das UK vorab schon Zollfreiheit
für nahezu alle Produkte außer
Cheddar und Butter avisiert
hat. Damit würde zumindest
der EU-Export weniger stark
getroffen als bislang befürchtet
wurde.
Im Wesentlichen geht es
immer um Zollsätze und nichttarifäre
Handelshemmnisse.
Letztere dominieren mittlerweile
die Handelskosten. Diese
Handelshemmnisse werden
durch Ein- und Ausfuhrquoten,
Abfertigungskosten und
die notwendige Erfüllung von
Standards bestimmt. Und weil
das UK erklärtermaßen von
EU-Regeln abschwenken will,
werden sich die nicht-tarifären
Handelshemmnisse in der Zukunft
umso stärker ausprägen,
wenn es denn einen harten
Brexit geben sollte. Ornua hat
als einer der Hauptzulieferer
des britischen Mopro-Marktes
die Kosten bereits kalkuliert: zu
Zöllen in Höhe von 55 Millionen
Euro kämen zusätzliche 23 Millionen
Euro an „Exportkosten“.
Zum Glück wurde bereits eine
ROLAND SOSSNA
REDAKTION
zweijährige Übergangsphase
nach dem EU-Austritt des
UK vereinbart, in der die Insel
noch in der Zollunion verbleiben
würde. Hier könnte sich
die Wirtschaft entsprechend
ausrichten und ggf. alternative
Absatzmärkte suchen. Dies
gilt wohlgemerkt allerdings nur
für den Fall eines geregelten
Ausscheidens aus der Europäischen
Gemeinschaft.
So oder so, Irland wird vom
Brexit am meisten betroffen
sein. Der größte Einzellieferant
des UK bei Käse und Milchfett
wird einen Teil des Marktes verlieren.
Fatal dabei ist, dass die
Iren einen enormen Milchüberschuss
haben, den sie irgendwo
im Export loswerden müssen.
Wahrscheinlich wird die Suche
Irlands nach neuen Märkten
sich deutlich auf das Preisniveau
im Weltmarkt auswirken,
zumindest temporär. Dies
könnte durchaus auf eine neue
Milchkrise hinauslaufen, unter
der dann Milcherzeuger nicht
nur in Europa sondern weltweit
zu leiden hätten. Leider geht es
bei den Brexit-Verhandlungen
auf höchster Ebene nicht um
den Milchmarkt, auf diesen
wird sehr wahrscheinlich am
wenigsten Rücksicht genommen
werden, so dass evtl. wieder
einmal diejenigen, die am
wenigsten Schuld am Debakel
haben, nämlich die Milcherzeuger,
einen überproportionalen
Teil der Zeche berappen müssen,
meint Roland Soßna.