10 2020 | moproweb.de 25
einer erlassen worden. Alle anderen befinden
sich noch in der Abstimmungsphase.
Welche Änderungen sind
schon in der Öko-Basis-
Verordnung enthalten?
1. Es gibt einen Paradigmenwechsel bei den
Importregeln im neuen Bio-Recht. Zukünftig
reicht nicht mehr Gleichwertigkeit, sondern
es muss Gleichheit gewährleistet werden.
Das bedeutet, dass das EU-Bio-Recht künftig
auch in Drittländern eins zu eins angewendet
werden muss. Damit müssen die
EU-Import-Kontrollbehörden Mechanismen
entwickeln, um die gleiche Anwendung von
EU-Recht auch in souveränen Drittländern
zu verifizieren, auch wenn deren Rechtsordnung
nicht den EU-Standards entspricht.
2. Das Prinzip der Positivlisten wird ausgeweitet.
Nach den bisher geltenden Regelungen
dürfen auch konventionell hergestellte
Zusatzstoffe verwendet werden, wenn
diese zur Herstellung zwingend notwendig,
aber in Bio-Qualität gar nicht verfügbar sind.
Zukünftig möchte die EU-Kommission nur
noch Zusatzstoffe in Bio-Qualität zulassen.
Die hieraus resultierenden Probleme lassen
sich exemplarisch an der Diskussion über
Qualitätskriterien für „Bio-Salz“ ablesen. Weil
hier bisher die (dogmatischen) Positionen
der EU nicht mit denen der Bio-Verbände in
Einklang zu bringen sind, wurde bereits die
Fortgeltung der Regelungen der jetzt geltenden
EU-Öko-Verordnung nebst Durchführungsregelungen
für die bisher zugelassenen
Zutaten und Zusatzstoffen aus nicht
ökologischem Ursprung bis zum 31. Dezember
2022 vorgesehen. Auch die Veröffentlichung
der geplanten Positivliste für in der
Bio-Produktion zugelassenen Reinigungs-
und Desinfektionsmittel wurde bis auf
Weiteres vorschoben und die derzeitigen
Vorschriften sollen bis zur Veröffentlichung
dieser neuen Liste weitergelten, ohne dass
dafür eine konkrete Frist festgelegt wurde.
3. Es wird noch diskutiert, zulässige Herstellungsverfahren
für Lebens- und Futtermittel
zu definieren und aufzulisten.
Bei einer Positiv- oder Negativliste könnten
bestimmte Technologien verboten
werden, was von allen Bio-Verbänden als
innovations- und wachstumsfeindlich abgelehnt
wird. (Anmerkung: Mit der ersten
zur neuen EU-Öko-VO erlassenen Durchführungsverordnung
(EU) 2020/464 vom
26. März 2020 ist die Anwendung von Ionenaustausch
und Adsorptionsharzverfahren
ab dem 1. Januar 2021 nur noch
für Bio-Babynahrung und nicht mehr in
der normalen Bio-Lebensmittelherstellung
zugelassen.)
4. Das Verbot der Verwendung von GVO ist
absolut ausgestaltet. Der bisherige Schwellenwert
von 0,9 % der Gentechnik-VO ist im
neuen EU-Öko-Recht nicht mehr enthalten.
5. Für das Vorhandensein nicht zugelassener
Erzeugnisse oder Stoffe (vgl. Art.
20 Abs. (1)) sollen die Schwellenwerte der
Babykostrichtlinie für alle Erzeugnisse und
Stoffe gelten, die nicht nach Artikel 19 zugelassen
sind. Das bedeutet nicht weniger
als einen Paradigmenwechsel von der bisherigen
Prozessorientierung zum produktbezogenen
Ansatz.
6. Nach der allgemeinen Übergangsvorschrift
der neuen Öko-Verordnung können
alle Erzeugnisse, die nach Maßgabe der
alten Öko-Rechtslage vor dem 1. Januar
2021 produziert wurden, weiterhin in Verkehr
gebracht werden, bis die Bestände
aufgebraucht sind.
Welche Durchführungsrechtsakte
wurde schon
erlassen?
Mit der Durchführungsverordnung (EU)
2020/464 vom 26. März 2020 wurden Regelungen
hinsichtlich der für die rückwirkende
Anerkennung von Umstellungszeiträumen
erforderlichen Dokumente, der
Herstellung ökologischer/biologischer Erzeugnisse
und der von den Mitgliedstaaten
bereitzustellenden Informationen festgelegt.
Hierin finden sich u. a. Bestimmungen
zur Tierhaltung von Rindern hinsichtlich
der Mindestdauer der Fütterung mit Muttermilch,
der Besatzdichte, Mindeststallflächen
und Mindestaußenflächen, welche
den bisherigen Vorgaben entsprechen.
Welche Rechtsakte
sind in der Pipeline?
1. Import:
- Überwachung der Kontrollstellen im
Drittland,
- Mindestkontrollanforderungen für Betriebe
und Kontrollstellen im Drittland,
- genaue Vorgaben für die Abwicklung
der Importe,
- die künftigen Kontrollbescheinigungen
sowie
- die Genehmigung von Ausnahmen und
Berichtspflichten dieser Kontrollstellen.
2. Kontrolle:
- Anpassung des Kontrollverfahrens an
die neue Bio- (VO EO 2018/848) und
die neue Kontroll-Verordnung (VO EU
2017/625)
- Gruppenzertifizierung und Vorgaben
für die Gruppen (Interne Kontrollsysteme,
Rechtliche Strukturen und Gruppengröße
Vorschlag < 1.000 Mitglieder),
- Vorgaben für die Kontrollstellen, z. B.
Probenahme und Labor oder zu Mengenbilanzierung
und Cross Checks.
- Kontrollen auf das Vorhandensein nicht
zugelassener Stoffe.
3. Aromen:
- Frage nach „derselben“ Zutat in öko/
nicht-öko
- Herkunftskennzeichnung
- Zertifizierung der neuen Aromen.
Dieses Gesetzgebungsverfahren zeigt eindrucksvoll,
dass die durch den Vertrag von
Lissabon eingeführte zwingende Beteiligung
des EU-Parlaments an Verordnungen zu einer
Verkomplizierung des Gesetzgebungsverfahrens
geführt hat. Weil im Parlament
nur grundsätzliche Kompromisse gefunden
werden können, wird die Einigung der Mitgliedstaaten
in wichtigen Detailfragen auf
das Instrument der delegierten Rechtsakte
verlagert, die die EU-Kommission ohne die
Beteiligung des Parlaments erlassen kann.
Das wiederum führt zu langwierigen Abstimmungsprozessen,
die mit den ambitionierten
Zeitplänen der Parlamentarier nicht
mithalten können und letztlich zu nicht vollständigen
Verordnungen führt, weil die Details
noch nicht geregelt wurden.
Am 4. September 2020 hatte die EU-Kommission
dann mitgeteilt, dass sie beabsichtigt,
den Geltungsbeginn der neuen EU-Öko-
VO auf den 01.01.2022 zu verschieben, um
die Inhalte des „Green Deals“ in die noch ausstehenden
Rechtsakte einzubauen und insbesondere
das Ziel des 25 %-igen Anteils der
ökologischen Produktion an der gesamten
landwirtschaftlichen und nachgelagerten
Produktion zu erreichen. Damit diese Verschiebung
rechtlich verbindlich wird, müssen
die Mitgliedsstaaten noch zustimmen,
wovon auch ausgegangen werden kann.
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