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Laktosekristallisation
Modellbasierte Produktionsunterstützung
Unsere Autoren: Cornelia Eder, Carsten Choscz, Heiko Briesen,
Lehrstuhl für Systemverfahrenstechnik – Technische Universität München
4 2018 | moproweb.de 47
Laktose fällt in großem Umfang als
Nebenprodukt bei der industriellen
Milchverarbeitung an. Sie wird
meist durch Kühlungskristallisation
aus aufkonzentriertem Molkenpermeat gewonnen.
Die zeitliche Entwicklung der Kristallgrößenverteilung
hängt dabei maßgeblich
vom zeitlichen Abkühlprofil ab. In der industriellen
Anwendung haben sich firmenabhängige,
empirisch gewonnene Temperaturprofile
etabliert. Wenngleich diese eine gewisse
Produktivität sicherstellen, können sie hinsichtlich
der Ökonomie und des Ressourcenverbrauchs
nicht als tatsächlich optimal angesehen
werden. Für andere Stoffsysteme
zeigen Arbeiten aus der Literatur, dass selbst
bei langjährig erfahrungsbasiert optimierten
Kristallisationsprozessen durch eine modellbasierte
Prozessoptimierung signifikante
Verbesserungen hinsichtlich Produktqualität
und Wirtschaftlichkeit erzielt werden können.
Die dafür benötigten Modelle stehen aber
bislang für die Laktosekristallisation aus industriell
relevanten Ausgangslösungen nicht
vollständig zur Verfügung.
Daher arbeitet der Lehrstuhl für Systemverfahrenstechnik
daran, industriell
einsetzbare Werkzeuge zur Optimierung
der Laktosekristallisation bereitzustellen.
Das notwendige systematische Prozesswissens
für die Kristallisation aus einem
Vielstoffgemisch wie dem Molkenpermeat
kann dabei mithilfe eines sogenannten Populationsbilanzmodells
gewonnen werden.
Dieses erfasst die Entwicklung der Partikelgrößenverteilung
während des Prozesses
und berücksichtigt die relevanten Einflussfaktoren.
Der besondere Fokus der bisherigen
Arbeiten lag dabei auf dem Einfluss der
schwankenden und/oder prozessabhängigen
Zusammensetzung der Ausgangslösung
des Kristallisationsprozesses auf die Kristallwachstumskinetik.
Experimentelle Untersuchungen
zum Einfluss
des Mineraliengehalts
Um die Schwankungen des Salzgehaltes
in Molkenpermeaten nachvollziehen zu
können, wurden zunächst von Industriepartnern
zu Verfügung gestellte Proben
mittels Ionenchromatographie auf ihre Zusammensetzung
untersucht. Dabei konnten
deutliche Unterschiede zwischen den
Proben festgestellt werden, jedoch waren
keine signifikanten jahreszeitlich bedingten
Schwankungen im Anteil einzelner Salze erkennbar.
Auf Basis dieser Untersuchungen
wurden Modell-Molkenpermeate entwickelt,
die weitgehend die Fällung schwer löslicher
Salze vermeiden, die wesentlichen Merkmale
natürlicher Molkenpermeate abbilden und
als reproduzierbare Substrate für Wachstums
und Kristallisationsversuche dienten.
Die Übersättigung der α-Laktose ist die
treibende Kraft für die Kristallisation. Sie
stellt die wichtigste Einflussgröße auf das
Kristallwachstum und die Bildung von Kristallisationskeimen
(Nukleation) dar. Daher
wurde der Einfluss unterschiedlicher Salze,
wie sie in natürlichen Molken vorliegen, auf
die Löslichkeit von Laktose in Wasser und in
einem Referenz-Modellpermeat untersucht.
Dabei ist der Einfluss auf die salzfreie Laktoselösung
zumeist größer ist als auf das
Permeat. Dort reduzieren mit Ausnahme
von Kaliumcarbonat alle untersuchten Salze
die Endlöslichkeit der Laktose. Vergleiche
des Mutarotationsgleichgewichts und der
Mutarotationsgeschwindigkeit im Referenz-
Modellpermeat mit dem Verhalten einer
salzfreien Laktoselösung ergaben, dass die
im Permeat enthaltenen Salze die Mutarotation
beschleunigen und das Gleichgewicht in
Richtung der α-Laktose verschieben.
Zur hochauflösenden Vermessung des
Kristallwachstums wurde ein Jamin-Interferometer
aufgebaut, dessen Messkammer
gezielt temperiert werden kann. Mithilfe
dieses Aufbaus können an Einzelkristallen
automatisiert Wachstumsraten in Abhängigkeit
von Temperatur und Konzentration
an der Phasengrenze zwischen Kristall und
Lösung bestimmt werden. Die beobachteten
Kristalle befinden sich dabei in einer
abgeschlossenen Küvette, daher ist ein
Einfluss hydrodynamischer Effekte ausgeschlossen.
Es wurden Wachstumsraten
unter Einfluss von Einzelsalzen sowie in verschiedenen
Modellpermeaten untersucht
und daraus eine Wachstumskinetik abgeleitet,
die es ermöglicht, das Wachstum in
Abhängigkeit von Temperatur, Sättigung
und Salzgehalt zu beschreiben und vorherzusagen.
Die meisten in natürlichen Permeaten
vorhandenen Salze zeigen eine wachstumsfördernde
Wirkung. Erwartungsgemäß
haben Versuche mit unterschiedlichen Salz