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48 4 2018 | moproweb.de
Abbildung 3: Mittlere Kristallgröße am Ende eines Kristallisationsprozesses bei Reduktion
des Mineralstoffanteils gegenüber dem Referenz-Modellpermeat
Abbildung 1: Wachstumsrate bei Reduktion
des Mineralstoffanteils gegenüber
dem Referenz-Modellpermeat (30 °C,
relative Übersättigung = 1)
Abbildung 2: Ablaufschema des Populationsbilanzmodells
mischungen gezeigt, dass das Wachstum
von Laktosekristallen durch die vorhandene
Gesamtheit der Salze gefördert wird. Die
höchste Wachstumssteigerung wurde hier
jedoch nicht durch möglichst hohen Salzgehalt
erzielt, sondern trat bereits bei etwa 20
bis 40 % des Salzgehalts von konzentriertem
Permeat auf (Abbildung 1).
Populationsbilanzmodell
Um alle gemessenen Einflüsse und Prozesse
in einem Modell zu erfassen, wurde ein Populationsbilanzmodell
erstellt, das die Entwicklung
der Kristallgrößenverteilung während
des Kristallisationsprozesses beschreibt (Abbildung
2). Es berücksichtigt neben vielfältigen
Temperatureinflüssen die experimentell
bestimmten Einflüsse der Molkenmineralien
auf Sättigungskonzentration, Mutarotationskinetik
und Wachstumsrate. Zur Modellierung
der Nukleation wird bisher eine in der Literatur
für salzfreie Laktoselösungen vorgeschlagene
Kinetik verwendet. Diese erfasst
auch den Mineralstoffgehalt der Kristallisationslösung
indirekt in seiner Wirkung auf die
Sättigungskonzentration. Bei Kristallisationsversuchen
im Laborreaktor wurde eine darüber
hinausgehende Steigerung der Nukleationsrate
beobachtet, eine Quantifizierung
steht jedoch noch aus. Um auch sekundäre
Nukleation durch Abrieb zu beschreiben,
wird zur Berechnung der Nukleationsrate die
vorhandene kristalline Masse einbezogen.
Zur Validierung des Modells wurden im
1 l-Laborreaktor und in geringerem Umfang
auch an einem 1000 l-Technikumsreaktor
Kristallisationsprozesse durchgeführt, die
sich in Temperaturverlauf, Startkonzentration
der gelösten Laktose, Mineraliengehalt
und initialer Partikelgrößenverteilung unterschieden.
Es zeigte sich eine generelle
Übereinstimmung der experimentellen Ergebnisse
mit den Vorhersagen des Populationsbilanzmodells.
Insbesondere konnte
im Experiment am Laborreaktor der vom
Modell prognostizierte Einfluss der Reduktion
des Salzgehalts auf die Wachstumsrate
und somit auf die mittlere Partikelgröße
bestätigt werden (Abbildung 3). Somit ist
die Übertragbarkeit der im Einzelkristallexperiment
am Interferometer gemessenen
Wachstumsraten auf das Kristallwachstum
im Reaktor sichergestellt. Das Modell kann
daher als grundlegendes Hilfsmittel zur Vorhersage
und Auslegung von Kristallisationsprozessen
auch in Hinblick auf die erreichte
Kristallgrößenverteilung dienen.
Ausblick
Die Kenntnis der im Rahmen des Projekts
vermessenen Kinetiken und das darauf
basierende Prozessmodell für die Kristallisation
erschließen ein vielfältiges Optimierungspotenzial.
Nach Erfassung des
anlagenspezifischen Nukleationsverhaltens
kann das Prozessmodell beispielsweise zur
effizienten und kundenspezifischen Produktion
von Laktose eingesetzt werden. So können
Kristallgrößen auch bei schwankender
Rohstoffzusammensetzung gezielt auf individuelle
Kundenwünsche angepasst werden.
Alternativ erlaubt die Beeinflussbarkeit der
Kristallgrößenverteilung die Optimierung im
Hinblick auf weiterführende Prozessschritte
wie Fest-Flüssig-Trennung oder Trocknung.
Förderung
Das IGF-Vorhaben AiF 17643 N der Forschungsvereinigung
Forschungskreis der Ernährungsindustrie
e.V. (FEI), Godesberger Allee
142-148, 53175 Bonn, wurde über die AiF
im Rahmen des Programms zur Förderung
der Industriellen Gemeinschaftsforschung
(IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft
und Technologie aufgrund eines Beschlusses
des Deutschen Bundestages gefördert.