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Old fashioned
oder up to date?
Die Betriebsübersicht
Unser Autor: Prof. Dr. Stefan Bayr, Dr. Bayr Consulting, Malzhauserstr. 10,
86453 Dasing-Tattenhausen, Telefon: 08205-963707, E-Mail: info@bayr-business-consulting.de
Die Betriebsübersicht ist in der
Molkereiwirtschaft der zentrale
Bestandteil der Betriebsbuchhaltung.
38 6 2018 | moproweb.de
Sie fasst den
internen Rohstoff- und Produktfluss zusammen
und erstellt Produktionsstatistiken
und Rohstoffbilanzen.
Die Betriebsbuchhaltung beginnt mit
dem Rohstoffeingang, der sich aus der Eigenmilch
der Vertragslieferanten und der
Zukaufsmilch von anderen Molkereien zusammensetzt
(vgl. Abbildung 1).
Als nächstes werden in den sogenannten
Tagesberichten der einzelnen Produktionsabteilungen
und des Betriebsraums die
Rohstoffeingänge und -verbräuche, die
Herstellmengen, die Rohstoffbestände,
die Halbfertig- und Fertigwarenbestände
sowie Mengendifferenzen festgehallten.
Zur Erstellung der Tagesberichte werden
Untersuchungsergebnisse des Labors (z. B.
Fettgehalt, Trockenmasse, Milchdichte
usw.) und Informationen von der Expedition
bzw. aus dem Vertrieb über verkaufte
Mengen und Fehlmengen (beschädigte
oder verschmutzte Ware, Warenrücklauf)
benötigt. Tagesberichte werden manuell
oder mit EDV-Unterstützung erstellt. Sie
haben häufig einen betriebsindividuellen
Aufbau, da die Schwerpunkte je nach Molkereibetrieb
unterschiedlich sind.
Die Betriebsübersicht fasst die Tagesberichte
der Produktionsabteilungen, der Annahme
und des Betriebsraums zusammen.
Sie beinhaltet die Rohstoffrechnung und
erstellt Tagesbilanzen, die monatsweise zu
einer Monats-Betriebsübersicht verdichtet
werden. Aus der Betriebsübersicht müssen
in der Summe und für das einzelne Fertig-
und Halbfertigprodukt
• die Verbrauchsmenge des Rohstoffes
(Rohstoffeinsatz),
• der Fett- und evtl. Eiweißgehalt des Rohstoffes,
• die Ausbeuten,
• der Kuppelproduktanfall,
• die produzierten Mengen,
• die Anfangs- und Endbestände an Rohstoffen
und Halbfertigprodukten,
• die Verluste an Rohstoffen und Produktionsmengen,
• die Absatzmengen und
• evtl. Fehlproduktionen, Absatzverluste
und Mengendifferenzen hervorgehen.1
Die Monats-Betriebsübersicht liefert
verschiedene Ist-Mengen für die Kostenrechnung
und dient als Grundlage für die
amtlichen Meldungen laut Milch-Melde-
Verordnung. Des Weiteren dienen die
Informationen der Betriebsübersicht als
wichtige Grundlage für das Management-
Reporting und für kurzfristige Planungsprozesse.
Und schließlich hat die Betriebsübersicht
vor allem eine wichtige Funktion im
Hinblick auf die Transparenz, die Kontrolle
und die wirtschaftliche Verwendung des
Haupt-Kostenfaktors Milch zu erfüllen.
Gerade im Zuge der Einführung von
ERP-Systemen in Molkereien wurde die
Betriebsübersicht immer wieder als nicht
zeitgemäß oder als zu aufwendig angesehen.
In der Tat ist es nicht einfach, auch
wenn man dabei Schnittstellen zu den
bestehenden Prozessleitsystemen nutzt,
die Produktionsstrukturen und letztlich
auch die einzelnen Lager- und Prozesstanks
und deren Mengenbewegungen
im Produktionsmodul eines ERP-Systems
abzubilden. Da die Informationen und
die Informationsstrukturierung für eine
Molkerei essentiell sind muss aber auch
im Rahmen der Einführung moderner
ERP-Systeme die Betriebsübersicht oder
deren Inhalte erhalten bleiben. Die Betriebsübersicht
ist somit alles andere als
„old fashioned”, sondern ein wichtiges Instrument
zur Steuerung v. a. der Produktionsprozesse
einer Molkerei. Allerdings
wird man sie heute eher als Produktionsinformationssystem
bezeichnen.
1 Vgl. Branz, G.: Einführung in die Kosten- und Leistungsrechnung der Molkereiwirtschaft, Eigenverlag G. Branz, Stuttgart 1966, S. 12.