wirklich gut etabliert hat, geht es nun im
nächsten Schritt darum, Reichweite und
Breite zu gewinnen.
mi: Welche spezifischen Vorteile für Anwender
hat IBM FoodTrust im Vergleich zu
anderen Lösungsanbietern?
Schultze-Wolters: Der Anwender hat damit
eine globale Lösung, die das gesamte
branchenrelevante Ökosystem auf einer
Plattformt vereint – vom Bauern in Südamerika
bis zum Verbraucher in Deutschland.
FoodTrust erlaubt die lückenlose und
schnelle Nachverfolgung von Lebensmitteln,
von der Produktion über die Lieferkette
bis zum Konsumenten. Das schafft
Transparenz und Vertrauen.
Die technologische Basis dafür ist eine
Infrastruktur auf IBM Cloud und Hyperledger
Fabric, einer Blockchain-Version,
die auf Basis von Open Source in der Linux
Foundation entwickelt wird. Diese Technologie
setzt zwar auf ein flexibles Open
Source-Prinzip, ist jedoch keine offen
zugängliche Public-Blockchain, sondern
eine Private-Blockchain, bei der man den
individuellen Zugang zur Plattform durch
Anmeldung erhält. Das Ziel ist nicht uneingeschränkte
Datenoffenlegung, sondern
Datentransaktionen zwischen unterschiedlichen
Parteien in einem Ökosystem
selektiv transparent zu machen – weshalb
sich auch konkurrierende Unternehmen
beteiligen können.
mi: Die Blockchain stützt sich auf die
Korrektheit der auf jeder Stufe der Lieferkette
gemachten Angaben. Lässt sich
bewusste Täuschung überhaupt identifizieren?
Schultze-Wolters: Die Blockchain löst
kein Datenqualitätsproblem. Wer betrügen
will, kann falsche Angaben machen.
Durch die Beschaffenheit der Blockchain
dürfte die Hemmschwelle dafür allerdings
deutlich höher liegen, als bei anderen
Systemen. Eine Private-Blockchain-Implementierung,
wie die von FoodTrust, bietet
eine ungleich höhere Transparenz. Es
ist nachvollziehbar, wer, wann, welche Daten
einträgt. Die Teilnehmer sind bekannt
und bestätigen die Konsistenz der Informationen
untereinander. Diese gegenseitige
Validierung und die Nachvollziehbarkeit
der Daten machen Betrug schwierig
12 3 2020 | moproweb.de
und riskant und die potentielle Täuschung
transparent.
mi: Bisher gab es auch schon Ansätze für
eine digitale Rückverfolgbarkeit in der
Lebensmittelkette – die sogar funktionieren.
Warum sollte man jetzt auf Blockchain
umsteigen?
Schultze-Wolters: Die immer wieder
auftretenden Lebensmittelskandale, wie
aktuell z. B. im Umfeld von Wurst, zeigen
leider, dass wir in vielen Fällen noch lange
nicht schnell und präzise genug reagieren
können. Mit der Blockchain lässt sich in nahezu
Echtzeit auf Basis unveränderbarer
Daten klären, welche Charge von wem,
wann an wen geliefert wurde. Und mit
Blockchain können auch konkurrierende
Unternehmen an einer gemeinsamen Lebensmittelverfolgungsplattform
teilnehmen
– da gibt es auf Basis herkömmlicher
Technologien ein Vertrauensproblem.
Und Blockchain leistet noch deutlich
mehr: Bei Carrefour in Spanien können
Verbraucher im Supermarkt durch das
Scannen eines QR-Codes den Weg des
Hähnchens vom Schlüpfen bis zur Schlachtung
nachvollziehen, sich über die Art der
(antibiotikafreien) Fütterung informieren
und darüber hinaus sehen, wie lange das
Fleisch transportiert wurde und seit wann
es im Kühlregal liegt. Besonders die letzten
Schritte sind angesichts von Gammelfleisch
Skandalen und dem zunehmenden
Verlust von Vertrauen beim Verbraucher
für die Branche essentiell.
mi: IBM ist ein US-amerikanischer Konzern
und kollidiert damit automatisch mit den
europäischen Vorgaben für Datenschutz.
Kann IBM hierfür eine Lösung bieten?
Schultze-Wolters: Das ist ganz klar geregelt:
die lokalen IBM Ländergesellschaften
halten in allen Ländern, in denen sie
tätig sind, die lokalen Gesetze ein. IBM
ist bei der konsequenten Umsetzung der
europäischen Datenschutzrichtlinien und
-gesetze sogar Vorreiter.
mi: Wenn Sie in die Zukunft blicken, was
könnte Blockchain noch alles für den Lebensmittelsektor
leisten?
Schultze-Wolters: E s i st n icht n ur d ie
Blockchain, die für den Lebensmittelsektor
künftig immer wichtiger wird, es sind
auch Technologien wie Cloud, IoT oder
Sensorik. Die Branche steht vor großen
Herausforderungen, nicht nur, weil sie
immer globaler und komplexer wird. Sie
muss sich auch dem Wandel in unserer
Gesellschaft stellen. Die Verbraucher wollen
wissen, woher ihre Nahrung kommt,
wie die Lebensmittel behandelt oder gespritzt
wurden oder wie die Tierhaltung
konkret ausgesehen hat. Wer auf solche
Fragen heute keine Antwort geben kann,
verliert Vertrauen – wer es morgen nicht
kann, verliert seine Kunden. Die Branche
braucht jede Unterstützung, die sie bekommen
kann.
Technologien wie Blockchain können
hier in vielerlei Hinsicht helfen, zum Beispiel
bei der Verbesserung von Qualität.
Ein Beispiel dafür ist das Unternehmen
Golden State Foods (gsf) aus den USA,
das u. a. Hamburger Patties produziert.
Aus der Blockchain gewinnt gsf für sie
wichtige Informationen, z. B. wer, wann,
wieviele Patties wo benötigt, und kann
auf Basis dessen und in Verbindung mit
der sog. „Cold Chain“ frische statt gefrorene
Patties liefern, was die Qualität
der Burger deutlich verbessert (Informationen
dazu: https://www.youtube.com/
watch?v=8WVGQt8EoJ8).
Mit technologischer Hilfe lässt sich aber
beispielsweise auch der Reifeprozess von
Früchten auf dem Weg von Südamerika
nach Deutschland wesentlich besser kontrollieren.
Das dient nicht nur der Qualität,
sondern hilft auch dabei, Lebensmittelverschwendung
zu mindern, denn weltweit
wird ein Drittel aller Lebensmittel
weggeworfen. Durch exakte Bedarfsanalysen
und Qualitätskontrollen, wie sie neue
Technologien bieten, kann die Nachhaltigkeit
in der Produktion und Nutzung von
Lebensmitteln verbessert und Lebensmittelverschwendung
vermieden werden.
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